Sonntags-Blog „Mutige Anstrengung des kämpfenden Löwen“, 30. Januar 2022
Liebe ZenhoflerInnen,
der letzte Sonntag im Januar. Unglaublich. Der Januar ist vorbei. Ich komme aus dem Schnee, der durch den Frost an den Bäumen klebt und eine unermessliche Schönheit und Ruhe ausstrahlte.
Vielleicht gelingt es dem einen oder anderen von euch doch noch einmal eine halbe Autostunde in Kauf zu nehmen und einen stillen winterlichen Schneespaziergang zu machen. Ja, es ist anstrengend. Die Füße sacken schon mal ein. Das Bein muss den Fuß wieder herausziehen aus dem kleinen Schneeloch. Der Körper beginnt zu schwitzen über die Anstrengung. Das Herz schlägt schneller. Und am Ende des Weges merken wir eine schöne Müdigkeit, die uns dann hoffentlich einen tiefen Schlaf beschert.
Zazen zu üben, ist auch so. Wir sitzen in unserer eigenen unermeßlichen Schönheit und eigenen Ruhe.
Ja, auch wir empfinden die Anstrengung. Manchmal bemerken wir den Rücken, den Nacken, die Beine, die eingeschlafenen Füße. Manchmal bemerken wir, dass unser Geist so spazieren geht, dass uns keine Anstrengung zurückführt zum Atem. Oder wir beobachten, dass die Anstrengung zum Atem zurückzukehren tatsächlich für zwei/drei Atemzüge gelingt. Dann können wir bemerken, welche große Ruhe dann plötzlich eintritt für diese kurze Zeit. Es ist und bleibt anstrengend in dieser Haltung den Körper bewegungslos zu halten und den Geist der Bewegungslosigkeit anzuschließen.
Im Hua-Yen-Sutra oder Blumengirlanden-Sutra, einer Grundlage des Zen-Buddhismus, das schon 500 Jahre nach Gautama Buddhas Tod existiert haben soll, also auf eine ca. 2000 Jahre alte Geschichte zurückgreift, heißt es „Mutige Anstrengung des kämpfenden Löwen“.
Wenn wir Zazen praktizieren, dann sind wir mutig, dann strengen wir uns an, dann ringen wir mit unseren „Dämonen = Konzepten, Vorstellungen, Mustern, Erwartungen…“, wir sind wie ein kämpfender Löwe. Wir geben uns Mühe. Löwen verfügen nicht über unbegrenzte Ausdauer, daher kämpfen/jagen sie gemeinsam. Wir sind auch gemeinsam unterwegs. Zuerst ist dort unser eigener Körper und Geist. Er ist die Grundlage unseres Tuns, unserer Anstrengung. Dann ist da der Raum, der Zendo. Wir sind nicht allein, sondern gemeinsam „kämpfen“ wir mutig und mit Anstrengung an unserer eigenen Klarheit, Leichtigkeit, Friedlichkeit. „Kämpfen“ steht wortwörtlich für eine „harte Aus-ein-ander-setzung“.
Alle, die von uns bis jetzt Tage eines Sesshins kennen gelernt haben, wissen um diese „harte Aus-ein-ander-setzung“. Egal, wo und wie sie uns begegnet. Sie ist einfach da. Nehmen wir diese Aufgabe mutig an, strengen uns an, er-reich-en wir eine Friedlichkeit, Stille und Einfachheit, die uns langanhaltend in unserem eigenen klaren weltlichen alltäglichen Raum trägt. Unser Leben ist unbe-schwert-er. Wir tragen das Schwert bei uns, das die unzähligen Gedankenkarussells abschneidet, dass uns hilft Überflüssiges abzutrennen und so uns selbst als uns selbst zu begegnen.
Der Besuch einer Massage, der Besuch eines guten Restaurants, der Besuch eines Konzerts, ein Urlaub, all dies ist wichtig, doch ohne die ehrlich zu sich selbst stehende „harte Aus-ein-ander-setzung“ drehen wir uns im Kreis. Wir begegnen immer wieder demselben Gedankenkarussell. Wollen wir wirklich und wahrhaftig, ehrlich und mutig diesen anstrengenden Weg gehen, ist die Zazen-Praxis einfach ein guter friedlicher und anhaltender Weg. Das wünsche ich uns allen.
Einen guten Start in eine gute Woche
Gassho, möge das mutige und friedliche Herz
unser Tun begleiten.
Ellen
Liebe Ellen, danke für diesen lebendigen Text. Er ist Inspiration zum Weiterüben.
Vielen lieben Dank liebe Ellen.
Das wünsche ich uns auch!
Auf ein gutes und friedliches Tun (o:
In Gassho
Marco
Ja liebe Ellen wir stoßen immer wieder an Grenzen, an Mauern, rutschen auf glatten Flächen, verlieren Bodenkontakt und dann taucht immer wieder die Frage auf, für was das alles, sollten wir uns einfach treiben lassen oder kämpfen mit unserer letzten Kraft. Es ist ein ständiges Fragen. Danke für Deine ermutigenden Worte.