Vertrauen

Sonntags-Blog „Vertrauen“, 30. Oktober 2022

Liebe ZenhoflerInnen,

bei diesem wunderschönen Herbsttag gingen Manfred und ich in der Rosenau spazieren. Buntes Herbstlaub schmückt die Natur und uns?

Was zeigt uns der Herbst?

Vielfalt und Mehrweg direkt vor unserer Nase. Nur ein einziges Blatt bei seinem Flug zu begleiten, ist sich selbst zuschauen. Dieses Blatt wuchs an einem Baum, egal ob groß oder klein. Es hatte sein eigenes Wachstum und befähigte gleichzeitig den Baum zu seinem Leben und uns allen. Der chemisch-biologische Prozess in Rahmen einer Fotosynthese ist uns allen bekannt aus dem Schulunterricht. Obwohl das Blatt und der Mensch seinen eigenen Ort haben, wie das Sandokai, das Sutra von der Harmonie der Verschiedenheit und Gleichheit sagt, sind sie so eng miteinander verbunden, dass wir staunend vor dem dahinfliegenden Blatt stehen.

Bild von Zachariah Garrison, pexels.

Das absolut Besondere, das uns das Blatt zeigt, ist sein absolutes Vertrauen. Es wächst. Es tut seine Tun ohne Wenns und Aber`s. Es tut. Es lässt den Baum zurück, der mit ihm keine Chance hätte den Winter zu überstehen. Es lässt sich los. Diejenigen, die schon einmal klettern waren, wissen, wenn man oben ist und sich ins Seil zum Abseilen fallen lassen soll, den Felsen loslassen soll, die Hände heben und zurückfallen ins Seil, das ist der Moment, der, der Schwerste ist. Vertrauensvoll einfach die Hände lösen und sich zurücklehnen. Vertrauen, dass das Seil hält, die Verbindung hält, zu dem, der da unten steht und sichert. Wer oder was ist das wirklich?

Foto von Min An, pexels.
Das echte Vertrauen lässt immer los! Egal, wann, wie, wo und/oder warum!

Das Blatt löste seine Hände. Es verlässt nicht die Welt, sondern verändert seinen Zustand. Es tut dies ohne zu wissen, ohne zu ahnen, ohne Wenn-Aber-Geschichten. Es lässt los und segelt davon, ohne zu wissen, wo es landet, was geschehen wird. Es lässt los und die Reise beginnt. Die Reise der Veränderung.

Unser Veränderungs-Künstler!

Das ist Vertrauen. In Vertrauen steckt sich trauen, steckt Mut, Neugier, Ausdauer, ja, und auch Liebe. Liebe zu diesem Vertrauen. Mein Freund Thomas ist gerade Großvater geworden. Ein Kind ist geboren. Den Ort, den es verließ, wo es wuchs, jetzt losgelassen, Nabelschnur durchtrennt, beginnt das eigene Vertrauen. Das Vertrauen einer Reise der Veränderung, die unablässig voranschreitet. Bei Kindern können wir dies verfolgen, weil es so schnell geht.

Linus

Vertrauen ist Moment für Moment. Beim Zazen können wir es üben. Vertrauensvoll überlassen wir uns dem Atem. Nicht wir mit unserem Verstand legen den Weg fest, sondern der Atem geht los mit unserem Geist im Gepäck. Wir schauen aus dem Rucksack hervor. Manchmal lugen wir nur, weil Angst in uns hochkriecht. Manchmal verstecken wir uns im Rucksack, weil wir wollen einfach nur unsere Ruhe. Manchmal springen wir aus dem Rucksack und tanzen vor dem Atem herum, bis der Atem sagt, nicht du bist das Vertrauen, sondern wir gemeinsam sind das Vertrauen und das lebendige Leben.

Wir gehen gemeinsam Atemzug für Atemzug und hörst du mir zu, zeige ich dir, gehe mit dir auf die Reise durch dein Leben und das Leben überhaupt. Es gelingt immer.

Prag, Narodni Jida. Atem, der sich Moment für Moment verändert.

Zazen ist die Kunst lebendig das Verändern zu lernen, zu üben, zu erfahren, ohne sich selbst und die eigenen Wenn-Aber-Geschichten darüber zu stülpen. Zazen ist die Übung die Hände in den Schoß zu legen und vertrauensvoll dem zuzuschauen, was unser aller Anfang und Ende ist. Ein Ende, das kein Ende ist, sondern ein Anfang. Ein Anfang, der kein Anfang ist, sondern ein Ende, denn jedes Geborene geht den Weg der Veränderung. Und kaum Geboren ist es bereits Verstorben. Augenblick für Augenblick. Vertrauen ist genau das!

Ich wünsche uns allen und der Welt, den Mut zur Veränderung, denn sich selbst verändern, ist ein Verändern der Welt.

Tiefes Gassho

Ellen

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