„Umsonst und gratis“

Sonntags-Blog „Umsonst und gratis“, 15. Januar 2023

Liebe ZenhoflerInnen,

kaum zu glauben, der Regen wechselt in einen neuen Regen und in weiteren Regen. Sonnige Abschnitte lassen mich rufen: Schnell, schau mal: Blauer Himmel. Ein eisig kalter Wintertag mit weitem blauem Himmel und schneeweißen Landschaften, wo ist es?

Lasst das Grau nicht die Herzen einnehmen, sondern lasst uns den blauen Himmel sehen, der ja immer da ist. Die Wärme in unseren Herzen nicht vergessen.

Umsonst und gratis

In den letzten Wochen ist mir immer wieder das Wort „umsonst oder gratis“ begegnet und ich fragte mich, was bedeutet es, wenn es immer wieder auftaucht in unserer Welt?

Als ich heute beim Tegut war, lag dort eine Werbung mit dem Hinweis „Gratis“. Doch schaute man genauer hin, konnte jeder lesen: Wenn du diese Punkte angesammelt hast, dann… Doch Punkte ansammeln, geht nur mit Einkaufen von bestimmten Summen. Also das „Gratis“ im Sinne von kostenlos, gibt es gar nicht. Bemerkenswerter Weise kommt die ursprüngliche Bedeutung von Gratis von dem lateinischen Wort „gratia“ und steht für Gunst und Dank. Was ist das für ein Dank, der gebunden wird an eine bestimmte Summe? Was ist das für ein Dank, der voraussetzt, dass vorher etwas geleistet werden muss?

Das Danken

In unserem alltäglichen Leben hat ein solches an Leistungen geknüpftes Danke die Welt erobert. Mit dem „um zu“ entstand ein Dank, der immer an einer Leistung gekoppelt ist, wenn an das Danke überhaupt noch gedacht wird. Einen Dank empfinden, ist tiefgehender. Wie können wir ihn heute noch empfinden, wenn er immer mit irgendetwas gekoppelt ist?

Eine derartige Koppelung lässt etwas geschehen, was am Donnerstag bei Zen und Theorie mitten im Raum stand. Eine Koppelung löst Vereinzelung aus. Sie analysiert einen bestimmten Punkt in einem großen Feld. Doch vergessen wird, dass dieser Punkt in einem großen Feld ist und dieser Punkt nur existiert, weil ein Feld von Punkten da ist.

Schauen wir uns einmal genauer um, erkennen wir viele einzelne Punkte, aber haben wir auch das Gesamtwerk im Blick?

Im Zen ist das Feld aller Punkte offen. Es ist kein Punkt analysiert, denn täten wir dies, würden wir einen Punkt ausschließen, aber genau dieser könnte der sein, der uns vervollkommnet. Dieses Feld aller Punkte ist nicht „umsonst“, im Sinne von „es lohnt sich nicht“. Ich bin so schlecht, ich kann so und so dies oder jenes nicht erreichen. Mein Tun ist umsonst. Nein, unser aller Tun ist niemals umsonst.

Den Punkt treffen

Egal, welchen Punkt wir betreten, welchen wir bearbeiten, welchen wir begehen und fallen lassen.  Er ist in seiner für uns vielleicht nicht immer einsehbaren Sichtweise, genau der, der jetzt dran ist. Nur dieser eine Punkt. Das ist niemals umsonst.

Jeder Punkt ist so wertvoll wie das Ganze!

Kein Punkt ist „umsonst“ im Sinne von kostenlos. Auf dieser Welt und in unserem menschlichen Dasein ist nichts ohne Kosten, denn Kosten bedeutet, dass es einen Wert hat. Benennen wir Dinge mit „kostenlos“, so sehen wir den Wert nicht. Doch wenn wir diesen Wert nicht sehen, wie sollen wir dann den Wert sehen, der zu der Gratia – zu dem Dank führt? Einem Dank, der eine tiefmenschlichen Dankbarkeit öffnet, die mit der Schönheit Schritt hält und uns die Tränen in die Augen schießen lässt. Das größte Geschenk, das es mit auf der Welt gibt.

Die Schönheit des Augenblicks. Die Perspektive jedes einzelnen Punktes im Raum. Die Ganzheit spüren in ihrer Vollkommenheit. Das ist nicht umsonst. Das ist mühevolle Kleinst-Arbeit, die sich lohnt.

Schauen wir uns die Geburt eines Kindes an, eines einzigen Augenblicks an, einer Zeit, eines Gegenstandes an. Nichts daran ist umsonst. Es hat jedes seinen Wert zu seiner Zeit.

Den Wert von Zazen zu begreifen, ja, wirklich begreifen, da wir es körperlich, geistig und seelisch umgreifen, erfassen, tun, ist die dankbare Schönheit in seiner uns voll zugewandten Seite zu entdecken. Dies ist nicht umsonst oder kostenlos, denn in unserer aller täglichem Üben liegt die Kraft der Aktivität und des Gestaltens von sich selbst und somit von Welt. Dies ist niemals umsonst. Shunryu Suzuki sagt ganz klar: Dafür lohnt es sich.

Hinaufsteigen. Die Angst vor dem Abgrund. Die Sicherheit die eigene innere Haltung. Egal, was außen ist, aktiv ein Schritt vor den Anderen. Es ist nicht umsonst. Es kostet etwas. Aber es lohnt sich immer!

Ein herzliches Danke, ein echtes Danke an alle, die mit uns tagtäglich im Zenhof und überall auf der Welt üben.

Gassho

Ellen Daoren

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