Über das Einsammeln

SonntagsBlog „Über das Einsammeln“, 4. Februar 2024

Liebe ZenhoflerInnen,

seit langem zog es mich wieder einmal dahin, den persischen Dichter Rumi zu lesen. Er ist, meiner Meinung nach, einer der Dichter, der die schönsten und tiefsten Liebesgedichte verfasste. Und da es inzwischen übersetzte Werke gibt, die ich noch nicht hatte, erstand ich sie. Und dabei bin ich auf folgende Worte gestoßen, die mich sofort wieder zu Zazen führten und so toll zu unserer jetzigen Jahreszeit passen.

„Winter ist Zeit des Sammelns, Sommer ist die Zeit des Ausgebens. Jedermann sieht das Ausgeben, aber nicht das Einsammeln. So wie jemand eine Einladung gibt und hat viel dafür ausgegeben. Das sehen alle, aber niemand sieht, wie er einsammelt, wenig um wenig, um dieses Fest geben zu können. Das sehen und wissen wir nicht. Doch im Sammeln liegt die Wurzel der Sache, denn Ausgeben kommt aus dem Einkommen.““ (Rūmī 2008, S. 123)

Der Winter ist die Zeit des Sammelns. Der Sommer des Ausgebens. Nichts vom Sammeln sehen wir. Doch im Sommer kommen die Früchte, die wir so gerne essen.

Wisse wie sie zu uns kommen!

Ein Fest wird gefeiert. Wir sehen den Kuchen, den wir essen, aber wir sehen nicht, wie derjenige, der es machte, dafür einkaufen ging, den Teig anrührte, das Geschirr spülte, der Bäcker das Mehl mahlte, der Bauer das Getreide erntete…. Das Sammeln sehen wir nicht. Doch ohne dieses zusammensammeln, gäbe es keinen Kuchen.

Das Unsichtbare sichtbar wichtig?

In unserer von Objekten getragenen Welt sind wir gerade heute durch die digitale Welt auf Sehen von Dingen ausgerichtet. Nicht-Sichtbares ist nicht beweisbar und somit nicht existent. Das Einsammeln scheint als Unsichtbares nicht wichtig, nicht notwendig, nicht nützlich, für nichts gut zu sein?

Doch die kleinen Beispiele zeigen wie wichtig dieses Zusammensammeln ist. Doch, warum gestatten wir uns als Sammler von äußeren Dingen aufzutreten, aber das innere Sammeln für spirituell, esoterisch, nicht funktionell, nicht existent abzuurteilen?

Beim Bau einer Trommel ist das Unsichtbare permanent inbegriffen, denn niemand weiß, welche Töne sie hervorbringen wird. Das ganze Universum frei da!

Würden wir unser Inneres nicht Zusammensammeln, wie könnte unser Körper, unser Geist etwas lernen, geschweige denn sein?

Meditation ist Sammeln, oder?

Meditation ist nichts anderes als dieses Zusammensammeln. Wir Sammeln den Geist und führen ihn dorthin, wo wir wollen und überlassen ihn nicht einem umherziehendem Etwas. Wir Sammeln den Körper und führen ihn in eine Haltung, so dass wir wissen, wo er jetzt ist und was er jetzt tut.

Wir Sammeln die Seele und führen sie zur Vereinigung von Körper und Geist und geben ihr ein Zuhause. Wir SAMMELN einfach!

Die Logik des Sammelns

Übrigens ist das logisch sein, denn das griechische Wort legein heißt auch Sammeln. Meditieren wir, sind wir also logisch unterwegs. Welch eine wunderbare Fügung, da sie doch überall verlangt, erwartet und eingefordert wird. Hier geschieht es und nur, weil es unsichtbar bleibt, wird diese Logik verneint?

Gerade diese Sammlung durch die Meditation macht wie Rumi es so schön sagt, das Ausgeben, das Hinausgehen, das Darreichen, das Erfassen, das Aushändigen erst möglich! Und ist es nicht das, was den Menschen so häufig fehlt und sie in eine Burnout Falle tappen lässt, weil sie einfach das Einsammeln vergessen haben?

Weinlese ohne Zeitdruck! Erst wurde im Außen Beeren gesammelt. Dann werden sie sortiert. Die Guten ins Töpfchen. Die Schlechten ins Kröpfchen. Das Sammeln des Guten macht den Wein!

Lasst uns gemeinsam Sammeln gehen. Meditieren und gerade Zazen ist Freiraum. Als Sammelnde lernen wir sehen, um überhaupt greifen (zugreifen, ergreifen) zu können und zu erfahren, dass wir das Gegriffene einsetzen können und auch nicht, eben wie wir wollen. Wiederum eine freie Entscheidung.

„Völlig gesammelt zu sein, was man tut, ist Einfachheit. Und das Schöne an der Übung ist, daß man sie endlos ausdehnen kann. Man kann weder sagen, daß unser Weg ziemlich leicht, noch, daß er sehr schwierig ist. Er ist überhaupt nicht schwierig. Jedermann kann ihn üben – aber weiterzuüben ist ziemlich schwer. Meint ihr nicht auch?“ (Suzuki 2008, S. 39–40)

Lasst uns gemeinsam Sammeln, um den freien Raum mit Freiheit zu verschönern. Danke.

Eine gute Woche uns allen.

Herzlich Ellen Daoren

Literaturverzeichnis

Rūmī, Ǧalāl-ad-Dīn (2008): Von Allem und vom Einen. Übersetzt von Annemarie Schimmel. 6. Auflage. München: Diederichs.

Suzuki, Shunryu (2008): Seid wie reine Seide und scharfer Stahl. Das geistige Vermächtnis des großen Zen-Meisters. 3. Aufl., Taschenbucherstausg. Hg. v. Edward Espe Brown. München: Heyne ([Heyne-Bücher], 70036).

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