Rück-Blende

Sonntags-Blog 12. Februar 2023, „Rück-Blende“

Liebe ZenhoflerInnen,

Der Sonntag, der diesmal schon Donnerstag für mich beginnt, denn ich schreibe schon jetzt diese Zeilen für uns alle.

Obwohl also das Thema heute Rück-Blende heißt, schaue ich bereits nach vorne. Was bedeutet das, wo ich doch im Jetzt Hier sitze? Ich las gerade vom Komiker Karl Valentin, dass seine Komik dadurch entstand, dass er das „Ich-Jetzt-Hier“ als Ausgangspunkt nahm. Er verließ diesen Standpunkt nicht und gruppierte alles um diese konkrete Gegenwart.

Ich? Ich bin jetzt hier!

Wo sind wir dies mehr als bei Zazen? Ein Ich, was immer das sei, sitzt in einem Jetzt in einem Hier. Konkreter geht es nicht. Jetzt kommt die Rück-Blende ins Spiel.

Im Film zum Beispiel bedeuten Rückblenden, dass durch sie gegenwärtige und auch zukünftige Ereignisse einsehbar sind und werden. Das heißt, der Film bekommt durch die Rückblenden seine Gestalt, die einem einheitlichen Fluss entsprechen.

Ein Samen? Ein Spross? Ein Windhauch? Ein Insekt? Jetzt blüht die Blüte!

Die Rück-Blende einbauen

Setzen wir uns auf unser Kissen und bauen bei jedem Atemzug, Einatmen – Ausatmen eine Rück-Blende ein, so können wir die Konzentration auf den Atem erhöhen und mehr ihn selbst sein lassen. Wir atmen ein – Rück-Blende – Wie war dieses Einatmen? Tief? Flach? Schnell? Langsam?….

Wir atmen aus – Rück-Blende – Wie war dieses Ausatmen? Gebrochen? Hart? Weich? Langsam?…

Wir sehen die Atmempause – Rück-Blende- Wie waren diese Pausen?…

Ja, es geht sehr schnell. Doch bleiben wir in diesem Moment ganz in diesem Prozess der Einbindung des Vergangenen in das Jetzt und somit in das Zukünftige entsteht das, was wir uns so sehr wünschen. Das Ankommen in der Vollkommenheit, denn es gibt nur noch dieses Atmen-Anschauen-Rück-Blende!

Das Ganze ist bereits immer vollkommen!

Blende kommt von Blenden, Blind machen durch viel Licht. Blenden kennen wir vom Fotografieren. Wir stellen die Blende nach dem Lichteinfall ein. Wir können also durch die Blende ein Bild gut oder schlechtmachen. Wir können es sogar so belichten, dass wir garnichts sehen oder es schwarz bleibt. Doch im Normalfall zeigt die Blende ein Bild auf. Wir können also kurz direkt in das Geschehen hineinsehen. Klick! Schon passiert!

Nehmen wir die Rück-Blende mit in unseren Atem auf unserem Kissen. Wir stellen unsere Blende auf Ein und schauen ihr zu. Sie belichtet etwas. Wir schauen kurz direkt in das Ausatmen, in das Einatmen, in die Pause. Wir setzen die Rück-Blende einfach ein, denn das Einatmen war schon, das Ausatmen war schon, die Pause war schon. Sie ist eine Art Filter, der offen ist.

Was zeigt uns die Blende? Sie ist eine Art Tor!

Den gegenwärtigen Moment des Einatmens und Ausatmens erhaschen durch die Rück-Blende, die den nächsten Atemzug schon kennt. Die Rück-Blende einbauen, ist so etwas wie eine Schnur, an der wir uns lang hangeln. Es ist ein sehr aufmerksames DASEIN genau jetzt in diesem Augenblick. Wir sehen das Tun des Atmens mit der Rück-Blende in einer Art Kugel, in der sich die Rück-Blende, das Zählen, das Ein-und Ausatmen, die Pause zu einem einheitlichen Gebilde formen.

Nehmt dies mit in Eure Meditation. Experimentiert mit der Rück-Blende, die paradoxerweise die Gegenwart erst sichtbar macht.

Die Rück-Blende umfasst bereits alles! Sie ist nicht einfach nur ein Ausschnitt!

Eine Rück-Blende ist eine Fokussierung auf ein Bild in der Vergangenheit – hier auf dem Kissen – das Einatmen, das Ausatmen, die Pause – aber dieses Bild der Vergangenheit ermöglicht uns erst den Zugang zur absoluten Gegenwart, die die Freude des Ganzen ist.

Ich freue mich darauf weiterhin mit Euch zu üben, zu lernen, zu erfahren und dabei zu wach-sein.

Herzliches Gassho

Ellen Daoren (Die, die den Weg geht.)

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