Sonntags-Blog „Zen und die Liebe“, 24. Juli 2022
Liebe ZenhoflerInnen,
heute Sonntag, den 24. Juli ist vor der Sommerpause ein letztes Mal Zen-Intensiv. Intensiv, was heißt das? Intensiv, das bedeutet hoch aufmerksam sein, das heißt, genau hier sein, das heißt den Kopf leer machen, die Sache des Lebens auf den Jetzt-Punkt bringen. Intensiv steht auch noch für etwas Anderes, was mir gestern deutlich wurde. Intensiv ist verknüpft mit der Frage nach einem Zustand, den wir gar nicht damit in Verbindung bringen, aber der mit der Intensivste eines Lebens ist. Die Liebe.
Im Zen spricht man in der Regel nicht von Liebe. Das Wort im Zen lautet Aufmerksamkeit, für das, was die körperliche Ebene und Achtsamkeit, für das, was die geistige Ebene betrifft.
Achtsamkeit und Aufmerksamkeit stehen für Liebe im Zen. Auch, wenn wir andere Assoziationen mit den Worten verbinden, so ist das Intensivste, was wir im Zen erfahren und erleben können, die Liebe. Sie kann entstehen, wenn wir uns ganz auf sie einlassen. Es ist eine Achtung und Aufmerksamkeit, die das würdige liebevolle In-ein-ander sieht. Das In-ein-ander des Atems, des Körpers und des Geistes, des Mit-ein-ander aller Organe, das Bei-ein-ander mit dem Anderen. Vom Sitzkissen oder Hocker bis hin zum Menschen neben mir.
Ohne eine Messlatte anzulegen, sind wir intensiv an diesem einen Ort, nirgendwo anders. Mit der ganzen Konzentration, mit dem größtmöglichen Aufmerken, dem Beachten von allem, was Sekunde für Sekunde an uns vorbeizieht. Auch, wenn mittendrin plötzlich im Raum steht, nicht so, sondern so, mache es. Es ist ein Hinweis in Liebe. Es ist das Laut im Leise und das Leise im Laut. Es ist Kritik im griechischen Sinne einer Entscheidung, einer Hinwendung zu einem Augenblick. Entscheiden wir uns jetzt ganz hier in diesem Moment zu sein, egal, ob es ein Gedanke, eine körperliche Bewegung, ein Gefühl ist? Wenden wir uns dem so zu, dass wirklich unser Herz, unsere ganze Liebe genau hier ist?
Wir alle kennen es sehr gut aus unseren Verbindungen mit Menschen, ob in der Ehe, am Arbeitsplatz mit Kollegen und und und. Wir überlegen nicht häufig und sagen es noch weniger: Ich liebe dich. Wir sagen es vielleicht unserem Partner, aber selbst bei unseren Kindern wird es schon zögerlicher. Wir lassen es sie fühlen, aber ist ein Satz oft nicht schöner? Auch dieser Satz in Gedanken gesagt? Zu dem Grashalm, der Blüte, dem Apfel in der Hand, dem Geschirrtuch, dem Staubsauger, der Bohrmaschine, dem Nachbar, dem Apfelbaum, dem Lehrer, der Lehrerin: Ich liebe Dich!
Zen und das Üben von Liebe. Zen und das Erfahren von Liebe. Ist das wirklich ernst gemeint?
Ja, das ist es. Ich brauchte viele Jahre bis ich begann meine Kissen wirklich zu lieben, nicht nur zu mögen, weil es mir half ruhiger und gelassener zu sein. Wirklich lieben? Was ist das? Es ist eine feine kleine Stimme in uns, oftmals so leise, dass wir das Hören überhören. Diese kleine feine Stimme flüstert uns immer wieder zu: Sieh jetzt hin. Hör jetzt zu. Lehne nichts ab, was daherkommt. Sage Ja.
Es ist das, was Shunryu Suzuki mit dem bedingungslosen Ja benennt, mit dem Hinweis: Du weißt nicht, wenn du es ablehnst, was es hätte für dich bedeuten können. Liebe ist das Annehmen des Jetzt, so wie es ist. Wir unterbrechen es oft mit unserem Wollen, Wünschen, Planen, Erwarten, Fordern.
Hermann Hesse sagt in einem Gebet: „Solang du nach dem Glücke jagst, Bist du nicht reif zum Glücklichsein, Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlorenes klagst und Ziele hast und rastlos bist, Weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst, Nicht Ziel mehr, noch Begehren kennst, Das Glück nicht mehr mit Namen nennst, Dann reicht dir des Geschehens Flut, Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.“
Hier steht verborgen die Liebe und Zen. Hermann Hesse benutzt andere Worte wie Glück und Herz und Seelenruhe. Doch seine Aussage passt wunderbar. Und lernen wir die Liebe im Zen zu sehen, die Liebe zu dem Jetzt, dann lernen wir auch den Hass in uns kennen, was die Voraussetzung für eine echte tiefe Liebe zu sich und zu dem Anderen ist.
Ich zitiere daher noch einmal Hermann Hesse:
”Wenn wir jemanden hassen, hassen wir an ihm etwas, das wir in unserm Inneren tragen.“ (Hermann Hesse)
Hass und Liebe, Zen und Liebe, Ich und Liebe, die Dinge und Liebe, die Menschen und Liebe. Wir sind alle im Jetzt des Einen Moments. Es gibt kein Entrinnen, nicht einmal im Tod. Wir sind immer zugegen. Wir sind niemals allein. Der Wandel unserer Gestalt, im Alter sich abzeichnend mit Falten im Gesicht, der Wandel unseres Geistes mit dem Wandel der Worte gepaart, der Wandel von Gefühlen mit dem täglich wechselnden Auf-und Ab begleitet, ist Liebe. Denn wäre sie es nicht, wären wir tote Tote, Unlebendige.
Lasst uns gemeinsam studieren, was die Liebe noch alles ist. Lasst uns mit Zen erfahren, was Liebe in seiner größten Intensivität ist. Der wache Geist des Zen, das aufmerkende Beobachten des eigenen Tuns des Geistes und des Körpers kann uns helfen, unsere eigenen Hass-und somit Liebe-Intensivitäten zu ergreifen und zu begreifen.
Liebe und Zen, eine Möglichkeit, eine Forschungsreise, eine Entdeckungsreise in das innerste des weltlichen Lebens, das auch immer wir selbst sind.
Danke für Euer Sein hier.
Gassho Ellen Daoren
Ja!
Darauf freue ich mich 😌
DANKE für Deinen Geist und Deinen Worten!
In Gassho
Marco 🙏🏼