Lächeln!

Sonntags-Blog „Lächeln“, 10.September 2022

Liebe ZenhoflerInnen,

jetzt ist er da. Der Herbst hält mit feuchten regnerischen Winden Einzug. Der Sommer huscht hinaus, schiebt den Herbst um die Ecke.

Dringend braucht die Erde hier bei uns Wasser. Nun bekommt sie es. Während viele Menschen der Erde in Wassermassen des zu starken Monsun-Regen ihre Heimat verlieren, ihren Lebensunterhalt, müssen wir, ob es nun regnet oder nicht, erst einmal keine Sorgen um unser Notwendigstes haben. Welch ein Geschenk. Welch eine Gnade. Danke.

Die große japanische ZenMeisterin Shundo Aoyama erzählt in ihrem Buch „Pflaumenblüten im Schnee“

von einer jungen Frau, die es sich zur Aufgabe machte, in einem Stadtviertel von Tokio nach dem Krieg, die Menschen und die Kinder zu unterstützen. Es war das sog. Armenviertel, in dem sich die Lumpensammler trafen. Sie schenkte Ihnen jeden Tag immer wieder ihr einfach kleines Lächeln, so dass diese Menschen zurücklächelten und das wirre Leben für einen Moment einfach vergaßen. Als sie an Tuberkulose erkrankte und mit kaum 30 Jahren verstarb, fand man unter ihrer Matratze einen kleinen Zettel, auf dem stand:

„Vergißt du womöglich gerade das Lächeln?“

Mich hat dies tief beeindruckt. Beim Schreiben meines neuen Buches bin ich in einem meiner Schreibbücher auf eine ähnliche Aussage gestoßen. Tagebucheintrag vom 13. September 2013 – also 11 Jahre her. „Durch die Liebe, die ich langsam in mir zum Werden kommen ließ, wuchs meine Weite, wuchs das Begreifen um jedes Wort, jede Tat und kein Mensch hat eine Bewertung verdient und ein jeder verdient ein Lächeln zu bekommen. Die Hindernisse für das Lächeln heißt es in der Stille auf dem Kissen ertragen, leise für sich, um mit dieser Kraft neu lebendig und liebend ins Außen zu gehen. Der achtfache Pfad des Buddha. Nicht darüber sprechen, dies leben. Nicht hervortun, dass…, sondern die einfache Stille leben.“

Meine Schreibbücher. Im Laufe der letzten ca. zwanzig Jahre habe ich es auf stolze 1 Meter Buchreihe geschafft.

Ja, das Lächeln trotz…. fällt uns oftmals schwer. Das Lächeln, das aus dem Herzen kommt und so leicht und einfach ist, dass Menschen es oftmals nicht sehen, nicht begreifen, nicht für echt nehmen, weil der Geist des Menschen die Lüge gewohnt ist, die Unbarmherzigkeit, die Härte, die Unwahrheiten, das Unechte, das Ungerechte, die Heimatlosigkeit, die Lieblosigkeit. Wir sind es nicht mehr gewohnt, dass ein einzelner Mensch uns einfach, ohne dass wir etwas tun müssten, uns ein einfacher einzelner Mensch einfach so mit einem Lächeln beschenkt.

Lächeln!

Wenn wir uns wohl fühlen, gelingt uns das schon, aber was machen wir, wenn wir krank sind, wenn wir Kummer haben, wenn wir irgendwie nicht so gut drauf sind? Was ist dann mit dem Lächeln für uns und Andere?

Vor vielen Jahren fuhr ich einmal mit dem Fahrrad in Rosenheim am Inn entlang. Von weitem sah ich auf einer Bank einen alten Mann mit einem kleinen Jungen sitzen. Sie fielen mir einfach auf. Als ich vorbeifuhr, schaute ich dem kleinen Jungen direkt in die Augen und mich überkam das wunderbare Gefühl: Ich habe gerade einen Engel gesehen. Dieser Junge schaute einfach so freundlich, so einfach, so ungekünstelt, so echt, so liebevoll, dass ich mich in Engelsauen befand. Noch heute bin ich sehr dankbar für dieses Geschenk.

Deich am Inn in Rosenheim

Zazen und das Lächeln

Solche Begegnungen können wir jedoch für uns nur erfahrbar machen, wenn wir lernen, den Blick für das Echte, das Wahre, das Barmherzige, das Gnadenvolle, das Liebevolle wieder in uns zu stärken. Es wieder sichtbar für uns zu machen. Eine der Möglichkeiten dies zu tun, ist die Jahrtausende alte Tradition der Zazen-Meditation. Viele Menschen haben über viele tausende Jahre diese Tradition weiterentwickelt, gelebt und weitergegeben. Es ist eine Technik – ein Handwerkzeug, das tatsächlich helfen kann, dieses Liebevolle, dieses Echte in sich selbst wieder aufzuwecken. Gelingt uns dies, so sind wir eine Freude für die Menschen um uns herum. So wie die junge Frau, die einfach jedem ein Lächeln schenkte, auch wenn der Tag noch so grau war, die dunkelsten Wolken über uns hinwegziehen und Krankheit, Tod und Elend an unsere Nerven zerrt.

„Vergißt du womöglich gerade das Lächeln?“ Lasst uns diese Frage mitnehmen in unser Leben. Lasst uns in der Meditation erforschen, ob wir unserem Körper, unserem Geist und unserer Seele auch überall ein Lächeln zukommen lassen? Auch, wenn das Knie schmerzt, wenn der Rücken Aua schreit, wenn die Tränen aus Kummer rollen, wenn das Leben uns gerade gar so grausam erscheint?

„Vergißt du womöglich gerade das Lächeln?“

In diesem Sinne lasst uns auf dem Kissen sitzend lächeln für alle. Lasst uns ins lebendige Leben einsteigen mit einem Lächeln. Lasst uns einfach liebevoll, wahrhaftig und freudvoll Lächeln verschenken, denn es tut jeder Seele gut. Die, die lächelt und die das Lächeln empfängt.

Einen schönen Sonntag uns allen.

Gassho

Eure Ellen Daoren (die, die den Weg geht)

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