Sonntags-Blog „Einsteigen“, 18. September 2022
Liebe ZenhoflerInnen,
Mitte September und der Herbst zeigt seine Wirkung in auffallend kalten Winden und wenig Sonnenschein. Wir leben in einer Welt, die Jahreszeiten kennt. Wir sind mit ihnen aufgewachsen, aber es gibt Räume auf dieser Welt, die kennen keine Jahreszeiten und die Menschen, die dort aufwachsen, kennen keinen Herbst, Winter, Frühling und Sommer. Dennoch ist beides hier genau auf dieser einen Erde.
Auf dieser einen Erde gibt es seit ungefähr dreißig Jahren eine Revolution – eine grundlegende Veränderung unserer Gesellschaft – die Computer hielten Einzug in unser aller Leben. Heute nach 30 Jahren sind sie aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.
Auch der Zenhof steigt ein. Marcel unser Videokünstler hat über den Zenhof einen kleinen Kurzfilm gedreht. Heute können wir ihn stolz präsentieren. Hier geht’s lang!
Wir steigen ein. Wir steigen ein in eine digitale Welt, die sich nun jeder jederzeit auf der ganzen Welt ansehen kann. Eine Möglichkeit, die es in dieser Form ohne Digitalität niemals gegeben hat und geben würde. Diese digitale Welt macht es möglich.
Was machen wir, wenn wir einsteigen?
Einsteigen in die Übung des Zazen? Einsteigen in den Zug? Einsteigen in die digitale Welt? Einsteigen in ein Sesshin? Einsteigen in ein Auto? Einsteigen, was bedeutet das?
Es ist eine Zustimmung, die unausgesprochen ist. Es ist ein Ja, zu allem, was da kommt und kommen kann. Einsteigen, bedeutet Ein-verständnis, Ein-will-igung, Be-ja-ung, Akzeptanz.
Einsteigen ist eine Sache angehen, beginnen lassen, anfangen, starten, ohne dass ich weiß, was passieren wird. Einsteigen ist ein Weg in die Unsicherheit, wenn wir einmal genau hinschauen. Wenn wir in ein Auto steigen, gehen wir davon aus, dass wir an unser gedachtes Ziel fahren, wie zum Beispiel Arbeitsstätte oder Einkaufen. Aber jeder von uns weiß, dass dies nicht immer so ist. Ein Reifen ist platt. Ein anderes Auto fährt uns auf dem Parkplatz des Supermarktes die Stoßstange ab. Ein Kind kommt nicht pünktlich, alles verschiebt sich. Usw.
Einsteigen in Zazen, ist auch beginnen, anfangen und wir wissen nicht, wo es hingehen wird. Atemzug für Atemzug neu. Ein Schmerz. Ein Gefühl. Eine Erinnerung. Ein Gedanke an die Zukunft. Ein Gedanke an die Vergangenheit. Ein Hochgefühl. Ein depressiver Gedanke. Da, plötzlich, etwas Unbekanntes – was war das? Was macht der Atem da? Was tut der Körper hier?
Einsteigen heißt Ankommen
in Unbekanntem, auch wenn wir meinen, dass sei bekannt. In Wirklichkeit ist es jedes Mal anders. Achtet einmal darauf, wenn ihr die Arbeitsstelle betretet, genau dieser kleiner Moment, was Tag für Tag für Unterschiede auftauchen! Achtet einmal darauf, was Stunde für Stunde für Unterschiede zu derselben Uhrzeit auftauchen. Es ist jedes Mal „neu“, wenn es uns gelingt, offen zu bleiben.
Einsteigen heißt,
offen bleiben für alles, was da ist und kommt. Es ist kein Nein, sondern egal, was mir da begegnet ein Ja. Und der nächste Schritt, wir steigen ein und schauen, was hat das mit mir selbst zu tun? Was bedeutet es, dass gerade dies mir gerade jetzt begegnet? Was macht das mit mir? Freude? Stress? Ärger? Wut? Liebe? All dies ist nur Oberfläche.
Einsteigen bedeutet, die Tiefen durchmessen, die Höhen erklimmen, das Meer zu durchschwimmen, das Universum zu durchfliegen – kein Einhalt, sondern Einsteigen und los geht’s.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes Einsteigen und egal wie, wo und wann ein gutes Ankommen.
Ich freue mich auf unser gemeinsames Zazen. Lasst uns Einsteigen und Ankommen!
Gassho
Ellen Daoren