Buddha und der edle achtfache Pfad

Sonntags-Blog, 19. Dezember 2021

Lieber ZenhoflerInnen,

in unglaublichen fünf Tage ist Heiliger Abend. Der dunkelste Tag des Jahres nimmt sich am 21. Dezember die Zeit. Während bei uns die Kälte und die Dunkelheit ihren Höchststand feiert, ist in Brasilien die Höchstzeit des Sommers angekommen. Beides zugleich. Welch ein deutliches Zeichen für das Gleichgewicht und für das Sein jeweils beider Seiten zur gleichen Zeit.

Was ist für Euch Buddha, war eine Frage des letzten Zen und Theorie, geweckt durch das Zitat von Dōgen. Was ist Buddha? Dōgen sagt im Shōbōgenzō: „Wir sollten die Form [des Tathāgata] aber auf keinen Fall als leer oder formlos ansehen. Wenn ihr die vielen Erscheinungsformen [dieser Welt] als formlos anseht, habt ihr euren Vater verlassen und irrt [in fremden Ländern] umher. […] Die vielfältigen Formen […] sind also nicht formlos, sondern die Formen des Tathāgata.“ (Dōgen Zenji 2013a, 223, Kenbutso)

Wenn das Dharma die Geschehen und Situationen sind, denen wir alltäglich begegnen, so ist der Buddha oder das Buddha, das, was Bedingung einer Situation ist. Was ist das? Dies ist ein Mensch, ein Tier, eine Pflanze, ein Ding, ein Schreibtisch, ein Stift, ein Stuhl, ein Auto, ein Computer, ein Enkelkind, ein Bruder, eine Schwester, ein Kind, eine Freundin. All dies, dem wir einen Namen geben oder von dem wir nicht wissen, wie es heißt, ist bereits ein Buddha. Wie ist das möglich? Es ist möglich, weil diese Formen bereits das bestätigen und erfüllen, was Dōgen in seinen Sätzen sagt. Sie sind in dieser Welt als ein Aus-druck, eine Form und gleichzeitig sind sie unbehaftet, frei, nicht befestigt, nicht ausgerichtet auf, nicht gefesselt, ungebunden, einfach unbeschränkt, weil sie jetzt und hier sich gerade in genau dieser Fassung, Form ergießt.

Den Vater verlassen, heißt, seinen eigenen Körper, seiner eigenen Form nicht vertrauen und sich befüllen lassen mit Handlungen, die ziellos umherirren, dich mitreißen und dich von dem entfernen, was du wirklich bist. Davor warnt Dōgen. Er sagt: Gehe nicht in die Irre. Bleibe hier!

Wie ist es möglich, dieses Verlaufen und in die Irre-Gehen aufzudecken und zu verändern? Buddha und seine Nachfahren schenkten uns eine Orientierung, genannt der edle achtfache Pfad. Er wird immer herangezogen, um Satori (Erleuchtung, vollständiges Verstehen) zu erreichen. Doch, dies sehe ich anders. Es ist kein Pfad, um etwas zu erreichen, weil es nicht zu erreichen gibt, wie das Herz-Sūtra so schön sagt. Nein, der Pfad ist eine Folge des Verstehens. Wenn ich vollständig verstehe, gehe ich diesen Weg automatisch. Da, wir alle, mehr oder weniger, bereits ein Buddha sind und die Dharma-Natur mit dem Sehen des Dharma verbinden können, können wir dem Pfad folgen. Wie?

„Der edle achtfache Pfad ist daher kein Mittel, um Satori […] zu erlangen, sondern er ist der Pfad – der Weg, den die KörperGeistung geht, also tut als wirken. […] [Ein Nachfolgen auf dem Weg, E.K.W.] ist Folgen […] nicht im Sinne einer zeitlichen Chronologie zu betrachten, sondern im Folgen der KörperGeistung als ein Tun. Genau dies tut der edle achtfache Pfad.“ (Wilmes 2018, S. 311–312)

Wir folgen einfach unserem Tun. Wir schauen auf unsere Hände im Tun, auf unsere Füße im Gehen, auf unsere Augen im Schauen, auf unsere Ohren im Hören, auf unsere Haut im Fühlen, auf unsere Zunge beim Schmecken, auf unseren Geist beim Denken. In diesem Hinschauen erfahren wir nicht nur uns selbst, sondern erfahren die ganze Welt, denn jeder Mensch tut dies genauso. In der Regel folgen wir den Ablenkungen, den fremden Ländern, achten nicht auf unser eigenes Land. Der Pfad erinnert uns daran dies zu tun.

„Der achtfache Pfad ist 1. rechte Sicht, 2. rechtes Denken, 3. rechte Rede, 4. rechtes Handeln, 5. rechtes Leben, 6. rechte Anstrengung, 7. rechte Bewusstheit und 8. rechtes Gleichgewicht.“ (Dōgen Zenji 2013b, 40, Sanjūshichibon bodai bunpō)

All diese Orientierungen sind ein Maßstab des Eigenen. Es ist dort niemand, der sagt: Dies ist recht. Dies ist falsch. Ganz all-ein für dich stehst du dort und schaust danach, was jetzt für dich das Rechte ist. Es ist die Tasse Tee nehmen und trinken. Es ist ins Auto steigen und eine Freundin besuchen. Es ist zur Arbeit zu gehen, Menschen zu dienen. Es ist der Fuß, der sich auf der Fußmatte abputzt. Es ist sich mit Menschen treffen und für Gerechtigkeit aufstehen.

Unser tausendfaches Tun in seiner Gestalt sehen wie es ist, ohne zu denken, was und wie es sein könnte. Jetzt und hier, Augenblick für Augenblick bei der eigenen Bleibe bleiben, sich zusehen, was sie tut. Ihr zuhören, zusehen und sich wundern, Moment für Moment, dass es so etwas Großartiges gibt. Das ist dem Bauchgefühl vertrauen lernen. Denn es gibt nichts Anderes als genau diese KörperGeistung. Vertraut ihr. Sie ist niemals falsch. Sie ist ein Geschenk.

Literaturverzeichnis

Dōgen Zenji (2013a): Shōbōgenzō. 4 Bände. Heidelberg-Leimen: Kristkeitz (Band III).

Dōgen Zenji (2013b): Shōbōgenzō. 4 Bände. Heidelberg-Leimen: Kristkeitz (Band IV).

Wilmes, Ellen (2018): Nicht-Dualität. Dôgen Zenji trifft Michel Henry. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz GmbH (Libri nigri, 67).

Ein Kommentar

  1. Durch deine Worte fühle ich mich bestärkt meinen Weg zu gehen!
    Meinem Bauchgehirn zu vertrauen. Wenn die Ängste drohen die Oberhand zu gewinnen, kommen deine Worte und führen mich zurück ins Vertrauen! Welch ein Segen. DANKE!

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