Sandokai

Sonntags-Blog „Sandokai“, das Gedicht von der Harmonie der Verschiedenheit und Gleichheit, Pfingstsonntag, den 5. Juni 2022

Liebe ZenhoflerInnen,

Pfingsten – das Fest des erwachten Geistes.

Pfingsten!

Ich liebe diese Apostelgeschichte aus der Bibel, weil für mich ist sie eine Erzählung von vielen Menschen, die gleichzeitig er-wacht sind, die gleichzeitig die Erfahrung des vollständigen Verstehens machten. Wir könnten wahrscheinlich lange darüber diskutieren, wie die christlichen Kirchen dieses Geschehen beschreiben, aber für mich ist es genau das. „Sie redeten in fremden Zungen.“  Ja, natürlich, weil im vollständigen Wach-Sein gibt es kein Hindernis. „Sie redeten von der Größe Gottes.“  Ja, natürlich, weil sie mitten drin waren und anschließend bemerkten, dass etwas Großes geschehen war.

So wünsche ich uns allen im wirklichen Sinne ein geisterwachendes Pfingstfest.

Im Sūtra Sandokai schwingt dieses geistige Er-wach-sein eine merkwürdige Rolle. Es scheint überhaupt nicht zu existieren, weil es ist ja alles so deutlich und klar formuliert, wie wir es alle kennen. Für die Ohren gibt es was zu hören. Für die Augen etwas zu sehen. Usw. Doch, dann kommt plötzlich so ein Satz wie, das Relative passt zum Absoluten wie ein Deckel zu seinem Behälter – kein Unterschied. Jegliche Differenz ist vorbei, obwohl doch das Relative, das wir tagtäglich wahrnehmen jetzt hier mit etwas Hand in Hand geht, dem Absoluten, was wir überhaupt nicht anfassen, berühren, schmecken oder dergleichen können. Dennoch sind sie sich so nah, dass sich die beiden Pfeile Relativ und Absolut auf gleicher Höhe und das auch noch mitten im Flug begegnen.

Was bedeutet das für uns? Mitten in jeder Aktivität, jeder Bewegung, jedem Sein ist gleichzeitig trotz unserer Blindheit dieses Absolute gegenwärtig. Es ist möglich sogar so wach zu sein, dass wir es berühren und im Nachhinein erkennen können. Es ist dann nicht nur einfach eine Erfahrung von vielen. Nein, diese Erfahrung verändert unser aller Leben. So wie die Apostel, die dann losgingen und davon erzählten, was sie erlebt hatten. Sie erzählten auch, wie die alten Meister von der Begegnung des Relativem mit dem Absoluten, dass es möglich ist und dass es eine Friedlichkeit erschafft, die desgleichen nicht kennt.

Genau das ist eine der kleinen Möglichkeiten der Zazen-Meditation. Wir können bemerken lernen wie unser Geist tickt, wie unser Körper agiert, wie unsere Seele Körper und Geist verbindet. Mitten in diesem Beobachten des atmenden Körper-Geist-Raumes kann eine Sternschnuppe fallen, die den Vorhang hebt, die Täuschung entfernt und wir erkennen, dass jedes Phänomen aus der Wurzel entspringt, wirklich jedes.

Im Zustand der Täuschung sind wir meilenweit davon entfernt. Ja, das sind wir, weil wir immer Ausschau halten nach dem Anderen, nach dem da Draußen, nach dem Wo-anders-Sein. Schauten wir mit derselben Intensität genau hierher, immer wieder genau hierher, auf unsere Hände, unsere Füße, unsere Arme, unsere Beine, unsere Augen, unseren Kopf, unsere Wirbelsäule, setzten den kleinen Herrn Nilsson von Pippi Langstrumpf auf unsere Schulter und ließen zu, dass er immer wieder darauf hinweist: Was tun deine Hände jetzt? Was machen deine Füße jetzt? Was machen….?

Keinen Blick auf das Objekt in den Händen, sondern wirklich die Hände selbst. Die Füße selbst. Dann sehen wir das wirkliche Wirken, die Quelle, die Wurzel der ganzen uns umgebenden Welt.

So wünsche ich uns allen ein gutes beobachtendes Tun in der Zazen-Meditation. Möge sie in unserem Alltag Früchte tragen und zu unserer aller Gesundheit beitragen.

Gassho

Ellen Daoren

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