Nun öffnen wir die Robe

Sonntags-Blog „Das Sūtra zu Beginn der Meditation“, 15. Oktober 2023

Liebe ZenhoflerInnen,

wenn wir gemeinsam meditieren, beginnen wir mit einem kleinen Sūtra. Als der Zenhof noch ganz am Anfang stand, erzählte ich damals dazu. Ich möchte dies heute auffrischen, denn viele neue ZenhoflerInnen sind inzwischen dazu gekommen und andere haben uns verlassen.

In diesem kleinen Sūtra zu Beginn werden Wörter wie Robe und Geist des Buddha, Form und Leerheit, Tathāgata benutzt. Oftmals wissen wir nicht so recht, was das eigentlich ist.

Irgendwie ist das auch gut so, denn die Rezitation eines Sūtra kann sich auf die Bedeutung beziehen, aber auch rein auf die Atmung und die Formung unseres Körpers während dieses Tuns.

Ich greife einfach einmal nur das Wort Robe heraus. Eine Robe anlegen, heißt, wir ziehen eine andere Kleidung an als wir normalerweise tragen. Daher weise ich immer darauf hin, dass wir eine eigene schwarze Kleidung haben sollten, die wir wirklich nur für diesen Zweck gebrauchen. Warum?

Allein in dem Moment, wo wir diese Kleidung überstreifen, streifen wir uns eine andere Perspektive über. Wir öffnen ein unbekanntes Lebensfeld. Wir erweitern unser bekanntes Lebensfeld dadurch, dass wir ein anderes Kleid anziehen. Ein Kleid, das uns ein Feld zeigt, dass wir noch nicht kennen. Ein Feld, mit dem wir uns vertraut machen, denn es ist ja auch unseres, nur eben nicht bekannt. Es ist wie in früheren Jahrhunderten ein Abenteurer zu sein. Wir wissen nicht, wohin die Reise geht. Wir wissen nicht, was wir finden und entdecken werden. Wir wissen nicht einmal, ob wir je das Ende der Reise erleben werden. Wir trauen uns einfach dieses unbekannte Land zu betreten und alles beginnt mit: „DAI ZAI GE-DAP-PU-KŪ – Nun öffnen wir die Robe“.

Wir ziehen uns das neue Kleid über, das wir noch nicht kennen. Ihr alle kennt das Gefühl, wenn wir uns ein neues Kleidungsstück gekauft haben, das es am Anfang irgendwie ungewohnt ist. Genau das ist hier gemeint. Wir halten das Gefühl des Ungewohnten aufrecht durch unsere Haltung. Wir schauen uns das Gefühl des Kleides an als hätten wir neue Augen bekommen. Wir tasten uns langsam hinein und dabei haben wir ein großes Hilfsmittel, unseren Atem. Atemzug für Atemzug können wir zuschauen, wie dieses neu übergestreifte Kleid sich verändert. Welche Schattierungen es bei den verschiedenen Lichtquellen annimmt. Der Atem führt uns und erzählt es, zeigt es, lässt es uns spüren. Das Einzige, was wir tun müssen, uns vertrauensvoll an ihn lehnen. Genauso wie der Abenteurer, der allem offenen Augen entgegensieht, dem Sturm, wie dem Sonnenschein.

So freue mich darauf weiterhin mit Euch gemeinsam zu üben mit dem Gespür für die vielen neuen Kleider.

Gassho und Herzensgrüße

Ellen

    DAI ZAI GE-DAP-PU-KŪ

    MU SŌ FU KU DEN Ē

    HI BU NYŌ-RAI KYŌ

    KŌ DO SHO SHU JŌ

Nun öffnen wir die Robe und den Geist des Buddha,    Einen Bereich weit jenseits von Form und Leerheit,    die Lehre des Tathāgata  für das gesamte Sein.

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