SonntagsBlog „Was ist Meditation wirklich?“, 14. Januar 2024
Liebe ZenhoflerInnen,
ein grauer Himmel verlockt nicht zum Strahlen und dennoch sind Strahlen da. Das Einzige, was jetzt gerade passiert, ist, dass wir sie nicht sehen können. Daher sagen wir: Es sind keine Strahlen der Sonne sichtbar. Und jemand, der sie noch nie gesehen hat, für den würden sie nicht existieren. Er würde uns der Lüge bezichtigen wie in Platons Höhlengleichnis.
Wie ist es möglich im Unsichtbaren das Sichtbare zu erfahren, zu begreifen, zu einer Erkenntnis zu gelangen? Ist dies überhaupt möglich? Ist eine nicht Sichtbares auch Formenlos? Ist ein nicht Sichtbares überhaupt wirklich? Halten wir nicht Ausschau nach etwas, was es gar nicht gibt, was nicht existiert, was nicht vorhanden ist, was nicht einstellbar, fokussierbar ist?
Mit all diesen Fragen im Hintergrund, setzen sich Meditierende auf ein Kissen. Sie sitzen bewegungslos, regungslos, ungerührt und gedankenlos. Sie tun etwas, das in unserer aller Alltag völlig fremd und ungewohnt ist.
Wirklich Meditierende tun etwas, das sie sonst nie tun, etwas, was sie nicht kennen.
Sie sitzen bewegungslos. Keine Stimme bewegt sich. Kein Ohr hat mehr die Absicht zu hören. Keine Zunge will mehr etwas schmecken. Keine Haut möchte etwas fühlen. Kein Auge sieht mehr. Keine Nase riecht mehr. Kein Geist denkt mehr einen Gedanken.
Wir tun etwas, das wir sonst nie tun.
Etwas völlig Ungewohntes, Unbekanntes, Fremdartiges. Es ist etwas, das noch nicht zu unserem Eigenen gehört, denn es ist so fremd, dass wir meinen, dass es nicht zu uns gehört und wir deswegen oft lieber davonlaufen, denn mit diesem nicht zu mir gehörigem Fremden brauchen wir uns nicht auseinandersetzen. Vertane Mühe und Zeit?
Doch merkwürdigerweise ist dieses Geschehen etwas, das unser Körper und Geist, unsere Seele schon lange vor unserem intellektuellen erfahrbaren Geist kennt. Bei unserer Geburt und in unserem Sterben erscheint es deutlich. Es erscheint im Fall einer schweren Krankheit und es erscheint in schweren Lebenssituationen. Da ist dieses Fremdartige.
Wenn wir Zazen sitzen, werden wir zu Forschern dieses Fremdartigen. Wir erfahren, wir bemerken etwas, das in der Schnelllebigkeit des Alltags, in der Zielstrebigkeit des Alltags verschwindet, unsichtbar wird.
Das Erforschen dieses Fremdartigen in diesen Momenten der absoluten Stille ist ein Aufwecken, ein Erwachen zu der wirklichen eigenen Größe. Denn wir sind alle mehr als nur eine Stimme, die spricht, ein Ohr, das hört, eine Nase, die riecht, eine Zunge, die schmeckt, eine Haut, die fühlt, ein Geist, der denkt. Wir sind so unbegrenzt wie das Universum. Grenzenlos offen. Grenzenlos groß.
Jedes Ding auf unserer Welt ist eine Idee, ein Einfall, eine Kreation, ein Geschaffenes. Gehen wir in dieser Welt spazieren, in der Großen, wie in der ganz Kleinen, so treffen wir uns selbst.
Und in der Stille des total Fremden erfahren wir eine Möglichkeit, eine Chance der Ganzheit von uns allem nahe zu kommen. Die Strahlen sehen zu lernen, auch wenn sie nicht da sind. Die Sonne zu entdecken, den Mond auferstehen zu lassen, auch wenn wir keine Ahnung haben, ob sie wirklich jetzt in diesem unsichtbaren Moment sind und wo, wie und was sie gerade tun. Denn in ihrer Unsichtbarkeit können wir nur Vermutungen anstellen mit unserem Bild von ihnen und ihrem Tun.
Wissen tun wir es jedoch nicht.
In der wirklich echten Meditation, wenn wir sitzen, können wir dem ursprünglichen Wissen nahekommen, dem Wissen, das schon immer zu uns gehört und uns irgendwie leise an die Hand nimmt und mit uns geht.
Unsere einzige Anstrengung und Bemühung ist, zu lernen, zu erforschen, was dieses Wissen uns erzählen möchte. Dazu gehört Zuhören lernen und erfahren. Und genau das ist Meditieren. Zuhören lernen.
Zu – Hören – Lernen. Ein großes Übungsfeld. Ich freue mich darauf, dieses Feld immer wieder neu mit Euch zu erfahren.
Eine gute und stille lebendige Woche für uns alle.
Gassho Ellen
Immer wieder ein Er-leben und eine Bereicherung aufs Neue.
Danke für Dein großartiges Tun, und den Möglichkeiten.
In Gassho
Marco 🙏