„Jedes Phänomen hat seinen Wert. Wisse wie sie zu dir kommen.“

Sonntags-Blog „Jedes Phänomen hat seinen Wert. Wisse wie sie zu dir kommen.“

21. Mai 2022

Liebe ZenhoflerInnen,

die Natur ist in voller Kraft und Blüte auferstanden. Die ersten Rosen blühen im Garten. Der erste Salat aus dem Garten auf dem Tisch. Die bunte Blumenwelt lädt zum Verweilen ein. Die Erde ist durstig und freut sich über den Gewitterregen, deren Wasser in Regentonnen läuft. Schnecken, Würmer, Amseln und Co freuen sich über ein reiches Nahrungsfeld für ihre Brut.

Wir sind mittendrin. Eine Kultur mit Kriegserlebnissen. Eine Kultur nach dem Schock einer Viruserkrankung. Eine Kultur, die die Erde ausbeutet. Eine Kultur, die nach Antworten auf all die Fragen sucht. Und da kommt so ein Zen-Meister her und sagt, dass jedes Phänomen seinen Wert hat. Als Manfred letztens in einer Erfahrung den Krieg sah und sich ihm die Frage stellte: Liebst du ihn, wurde er mehr als nachdenklich.

Lieben wir wirklich jedes Phänomen? Achten wir es so, wie es uns entgegentritt? Bemerken wir seine Wichtigkeit für unser Sein? Sind wir aufmerksam genug, um diese Situation, in der wir uns gerade wiederfinden, mit all ihren Perspektiven anzunehmen, zu bejahen und nicht davon zu laufen?

Jedes Phänomen hat seinen Wert? Wie können wir dies bejahen? Wie können wir dies umwandeln?

Jedes Phänomen hat seine Wert!

Lieber ist uns, wenn wir die Kontrolle haben können. Wir entscheiden, was gut für uns ist, was wir wollen und was wir nicht wollen. Was das Leben sagt, die Intuition im kleinen Hinterstübchen für Stimmen abgibt, welches Gefühl sich vor den Gedanken zeigt, ist doch unwichtig. Wofür sollten wir darauf achten? Wir sind die Entscheider über unser Leben. Es bedarf keiner Intuition, keines Bemerkens. Dennoch ist da ein Mann, der die Weisheit berührt hat und sagt: Jedes Phänomen hat seinen Wert.

Shunryu Suzuki Roshi

Zazen und die Phänomene

Wenn wir Zazen sitzen und unsere Atemzüge zählen, beobachten wo sie sind, wie sie sich im Körper bewegen, was unser Geist für Gedanken erzeugt, wo er uns hinführt, bis wir bemerken: Hey, stop, zurück einfach nur zählen, einfach schauen, wo ist der Atem und wie ist er gerade? Wie sollten wir dann meinen können, dass tatsächlich jedes dieser Momente als ein Phänomen unseres Lebens einen Wert hat? Dabei wissen wir es. Bleibt ein einziger Atemzug aus, erleben wir das Phänomen des Sterbens. Auch nicht schlimm. Auch ein Phänomen, das seinen Wert hat. Gerade die Natur zeigt uns, wie sehr der Tod für uns alle Wert hat. Ob es der Humus ist, oder die Rohstoffe, die im Laufe von Millionen von Jahren aus natürlichen Materialien entstanden sind. Alles hat seinen Wert. Augenblick für Augenblick. Dies sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen, denken zu können, ist schon eine Aufgabe. Jetzt aber noch zu schauen, wie kommen diese Phänomene ins Leben? Wie kommt es dazu, dass wir ihnen begegnen, so wie sie es tun? Und es ist tatsächlich bei jedem Menschen anders. Jeder Moment, der von Millionen Menschen gleichzeitig erlebt wird, ist dennoch gleichzeitig total verschieden, weil wir alle einen eigenen Ort haben.

Wisse wie sie zu uns kommen!

Die Zazen-Praxis ist ein Übungsfeld, ein Experimentierfeld. Sie bietet uns die Möglichkeit nicht nur die Phänomene selbst zu beobachten, sondern zu erfahren, wie sie zu uns kommen. Dies ist der Moment, wo wir die Praxis um neue Vokabeln erweitern. Wir beachten den Moment des Entstehens, den Moment des Herankommens, den Moment des sich Näherns. Genau dieser Moment ermöglicht uns frühzeitig gute Wendungen einzubauen und nicht blind in eigene Fallen zu tappen. Ja, es ist nicht leicht, aber ist eine Sprache lernen, leicht? Je mehr wir die Sprache sprechen, umso besser sind wir. Zazen ist die eigenen Sprache erlernen. Lohnt sich dies nicht?

Sich nähern, auch wenn es gefährlich ist? Wenn es bedeutet das eigene aufgebaute Leben zu verlieren? Oder zu vertrauen auf das Gelingen?

Die Mitte

Auf alle Fälle ein weiterer Schritt auf dem Weg in ein zufriedenes Leben. Erfahren wir diese Annäherung, dann tappen wir weniger im blinden Aktionismus herum, sondern gehen auf einem geraden Pfad, dem Pfad, der genau in der Mitte liegt. Diese Mitte ist so gerade wie unsere Wirbelsäule beim Sitzen. Diese Mitte ist eine Höhle wie unsere Hände im Schoß. Diese Mitte ist der schmale Öffnungsgrad unserer Augen. Diese Mitte ist jede Position eines einzigen Atemzuges.

Nasenspitze, Daumenmitten, Körperachse = Mitte!

Öffnen wir uns für die Phänomene des Lebens in all seiner Breite, Tiefe, Höhe, in all seinen Perspektiven, eröffnen wir der Welt Lösungsangebote, öffnen wir Alternativen für Welt, bieten wir der Welt Balance, die mit unserer Eigenen anfängt.

Ich freue mich mit euch die Balance für alle zu erweitern, auf ein friedliches Miteinandersein mit dir, mit uns selbst und mit der ganzen Welt.

Gassho

Ellen Daoren

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