Sonntags-blog „Innen und Außen“, 14. Mai 2022
Liebe ZenhoflerInnen,
bei dem schönen Frühlingswetter zieht es uns alle hinaus in die bunte blühende und grüne Welt. Wir freuen uns an der Sonne, an dem frischen Grün, an dem Wachsen und Werden von Blumen, Blüten, Essbarem. Wir gehen spazieren, wandern, Rad fahren, schwimmen, sitzen im Eis-Café und auf der Bank im Garten. Draußen im Außen.
Unsere Blicke ruhen auf dem, was das Außen ist, Außen zu sein scheint, Außen liegt. Doch, stellt sich die Frage: Was ist außen? Was ist innen? Im Buddhismus heißt es, dass das Ungetrennte uns begleitet, auch wenn jedes Ding, auch jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze „alle ihren eigenen Ort“ haben, wie es im Sandokai heißt, dem Sūtra von der Harmonie der Verschiedenheit und Gleichheit.
Was tun wir also, wenn wir sagen, außen und innen? Was unterscheiden wir? Worin besteht die Gleichheit? Gleichheit besteht darin, dass beide Wörter einmal Prä-Positionen waren. Das heißt, das ist eine Wortart, die für das Voran-Gestellte gilt. Heute ist bemerkenswerter Weise außen zu draußen geworden und damit von einem Voran-Gestellten zu einem Ad-Verb zu einer Beifügung eines Tu-Wortes geworden. Das heißt, wir, Menschen haben aus dem Gleichgestellten „innen und außen“ ein Getrenntes gemacht. Dies ist bemerkbar in unserer Sprache und damit in unser aller Leben.
Die Gleichheit besteht weiterhin, dass beides für eine Richtung steht. „Aus“ und „In“ diese Richtung.
Gehen wir von unserer Körper-Geist-ung als ein ganzes aus, so haben wir zwei Richtungen – aus –in/hinein/e-in. Betrachten wir unseren Atem, so können wir beobachten, dass hier dieses „in-aus/aus-in“ permanent stattfindet. Schauen wir noch genauer hin und fragen uns, wo ist die Grenze? Wann beginnt „in“? Wann beginnt „aus“? Ist es an der Nase? Ist am großen Bronchialast? Ist es am tiefsten Punkt der Lungenalveole? Ist es im Zwerchfell? Wo ist der Übergangs-Punkt von „in-aus – aus-in“?
Beobachten wir dies mit all der uns zur Verfügung stehenden Aufmerksamkeit, so können wir diesen Punkt nicht finden, nicht sehen, nicht festlegen, nicht entdecken. Wie ist das möglich?
Genau dies ist für uns der H-in-weis. Es weist etwas hinein, aber mit der gleichen Intensität und Kraft weist es auch h-in-aus. Da steht plötzlich das Wort „h-in-aus“ und eh wir uns versehen, haben wir aus „in-aus“ ein Wort gemacht, das beides kennt und beinhaltet. Ist dies mit all unserem Denken, Tun, Handeln, Sprechen, Essen und Trinken so?
Ist immer gleichzeitig beides im gleichen Moment hier, wie bei dem Tor? Sind wir vielleicht alle Tore? Während wir Zazen üben und wir unseren Atemzügen beim Zählen zuschauen, können wir diesem gleichzeitigen Punkt von „in-aus“ begegnen. Er kann sich in vielen Formen und Gestalten zeigen. Jeder Mensch ist da anders. Doch eines ist bei uns allen gleich, es gibt keinen Unterschied an dem Punkt, wo sich „in-aus – aus-in“ berühren.
Wenn wir also die Blumen blühen sehen, was blüht wirklich? Wenn wir dem Atem folgen, wem folgen wir wirklich? Was blüht? Was sitzt?
Nähern wir uns dem Satz des Sandokai „Doch trotz aller Verbundenheit haben sie alle ihren eigenen Ort“, so nähern wir uns möglichen Antworten und erfahren die Nähe dieser eigenen Orte. Sie sind so nah wie der Magen und die Bauchspeicheldrüse. So nah wie das Gras und die Erde. So nah wie die Blüte und ihr Stengel. So nah wie der Baumstamm und die Krone. Fragen wir uns jeweils wo beginnt das Innen von der Blüte oder des Baumstammes und wo geht es über in ein „außen“, so stellen wir immer mehr fest, dass diese Verbundenheit so eng ist, dass ein Getrenntes unmöglich scheint. Und dennoch existiert beides – innen – und außen in vollster Gleichzeitigkeit und Tiefe.
Nehmt die Fragen mit ins Zazen – schaut euch zu, wie sich das Innen und Außen immer mehr aneinanderschmiegt bis es eine Einheit bildet im Hier und Jetzt eines Körper und eines Geistes.
Ich freue mich, dies weiter zu üben, für uns und für alle.