Autobahnen und Trampelpfade

SonntagsBlog „Autobahnen und Trampelpfade“, 25. August 2024

Liebe ZenhoflerInnen,

bevor mich das Auto morgen Richtung Holland fährt und eine dreiwöchige Schweigezeit beginnt, noch ein paar Worte für Euch zum Nach-Sinnen!

Was ist für eine Schnecke eine Autobahn oder ein Trampelpfad?

Eine Autobahn ist breit und lässt uns in der scheinbar kürzesten Zeit an einen Ort unserer Wahl gelangen. Die Trampelpfade sind nur zu Fuß begehbar und brauchen Zeit und es kann sein, dass wir den Ort unserer Wahl sehr spät erreichen oder auch niemals.

Übertragen wir die Autobahnen auf unsere körperlichen Aktivitäten und geistigen Handlungen der Gedanken, so können wir die Autobahnen oftmals nicht mehr erkennen und sehen, denn es ist uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass uns nicht mehr auffällt, dass die Autobahn nicht der einzige Weg ist, etwas zu erreichen. Vor allem fällt uns nicht mehr auf, dass es Lösungen außerhalb des Spielraums von Autobahnbenutzungen gibt.

Wie beim Klang. Es gibt nicht nur diesen Ton und Jenen, sondern die Benutzung der Trampelpfade öffnen Tore in eine neue Welt!

Unser Sehen, unser Handeln ist auf den Automatismus geschaltet, denn dies geht schnell, ist effizient, ist wirtschaftlich und vor allem haben wir dann mehr Zeit für uns selbst. Das ist unsere moderne Welt mit Sportstudios, MarathonLauf, vegane Ernährung und Co.

Sich trauen, den Trampelpad zu gehen!

Doch, wie ist es wirklich? Wenn wir uns trauen wieder einmal einen Trampelpfad zu gehen, fällt uns auf, dass uns Strauchwerk ins Gesicht schlägt, dass Dornen unsere Beine zerkratzen, dass wir über eine Wurzel stolpern und vielleicht sogar hinfallen, dass wir über Baumstämme klettern müssen und dabei auf unser Gleichgewicht achten, dass wir seltsamen Tieren, die wir sonst nicht sehen, begegnen, dass wir bemerken wie wir nach Luft schnappen, denn der Weg führte einen Berg hinauf, dass wir ins Rutschen geraten, wenn es abwärts geht. All dies macht plötzlich in Minutenschnelle aus dem Automatismus ein Abenteuer. Nichts ist mehr so händelbar wie gewohnt. Der Körper muss zu anderen Bewegungen greifen und oftmals haben wir dann Muskelkater. Der Geist schweift nicht mehr so viel umher, denn er muss sich auf den Augenblick konzentrieren, den Fuß gut zu setzen. Die Seele ist nicht mehr mit starken Gefühlsschwankungen beschäftigt, denn ihre ganze Seelenzeit richtet sie auf das augenblickliche Geschehen. Ein kurzer Schmerz hier. Ein Schrei dort. Ein Stillstehen. Ein Hören. Ein Schließen der Augen, um das Hören abzurunden. Eine Hand am Baumstamm. Nichts ist mehr wie es war. Die Autobahn zu verlassen, bedeutet, wir beginnen stets von vorne.

Wir beginnen von vorne, so wie jede Blume jedes Jahr wieder von vorne beginnt, während sie sich darauf vorbereitet und unter der Erde, ihren Anfang neu beginnt. Unsichtbar auf einem Trampelpfad.

Der Trampelpfad Zazen

Genau das ist Zazen. Wir beginnen immer wieder von vorne. Wir verlassen, die von uns gebauten Autobahnen und beginnen einen Trampelpfad zu gehen. Wir scheuen nicht zurück vor dem, was da kommt, sondern wir gehen einfach weiter. Entdecken das Unbekannte. Das, was wir auch noch sind. Das, was die Welt auch noch ist. Wenn wir dem Atem vertrauen, ist er der Trampelpfad. Er verlässt mit uns die Autobahn. Er führt uns umsichtig zum Trampelpfad und lässt uns dort auch nicht allein. Er sagt uns, wann wir stehen bleiben sollen, wann wir uns an einen Baum ausruhen sollen, wann wir angekommen sind, wie wir uns unter einem Gebüsch ducken müssen. Vertrauen wir uns ihm an, ist er ein guter Lehrmeister, gute Lehrmeisterin für uns.

Lasst uns gemeinsam die Trampelpfade gehen, denn sie vergrößern unsere Welt und die Möglichkeiten der Erfahrungen und Erkenntnisse. Für alle!

Ich freue mich darauf, die Trampelpfade mit Euch allen zu gehen.

Danke.

Ein bewegtes Gassho Ellen Daoren

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