Rückkehr zur Pause

Sonntags-Blog „Rückkehr zur Pause, zur Ruhe, zur Stille, zum eigensten Sein“, 27. März 2022

Liebe ZenhoflerInnen,

der letzte Sonntag im März – kaum zu glauben. Narzissen blühen. Tulpen stehen auf. Grün zeigt sich an Spitzen. Gras wächst. Bienen schwirren. Vögel zwitschern. Der Frühling ist da.

Bamberger Wirtschaftsschule auf Klassenfahrt: HEG ...
Bald ist es soweit. Apfelblüten!

Ich war vor ein paar Tagen in Bamberg. Zur Mittagszeit setzte ich mich an die Regnitz im Bürgerpark, meine Lieblingsstelle in Bamberg. Eine andere Frau saß auf der Bank. Wir kamen ins Gespräch. Wir kamen auf Dialekte und Sprachen zu sprechen. Sie kam aus Osnabrück und erzählte, dass ihre Eltern noch richtig plattdeutsch gesprochen hätten. Mit ihr hätten sie immer hochdeutsch gesprochen, damit sie es auf dem Gymnasium nicht so schwer hätte. Sie verstünde noch jedes Wort platt, könne es aber nicht sprechen. Ihre Kinder können beides nicht mehr. Ich deutete an, dass dies ein Verlust sei, denn die Vielfalt wäre eingeschränkt. Überall auf der Welt sei heute Englisch die verbindende Sprache, so dass Dialekte fast überall fallen, ganz zu schweigen von Sprachen von Natives. Daraufhin sagte sie etwas sehr Bemerkenswertes. Sie sagte, dann entstehe eben etwas Anderes, etwas Neues. Alles hätte eine Dynamik.

Dynamik Pause Dynamik Pause

Das Wort Dynamik hallte in mir nach. Es verließ mich nicht. Es wollte angesehen werden. Dynamisch sein, wird in unserer Gesellschaft groß angesehen. „Der oder die ist dynamisch. Da bewegt sich was. Da geht es vorwärts.“

Irgendwie fand ich mit diesem Wort keine Ruhe. Es schwang in mir, hallte in mir immer wieder nach. In der Meditation tauchte kurz auf, Dynamik zerstört, aber dies führte zu keiner Zufriedenheit. So blätterte ich einmal wieder im Herkunftswörterbuch und stieß auf das griechische Wort „dynamikos“, das übersetzt heißt, vermögend, wirkend, mächtig, stark. Was ist dagegen einzuwenden, wenn etwas wirkt, wenn etwas stark ist, wenn es etwas vermag?

In einem Gespräch mit Manfred und meiner Freundin Stefanie, die zu Besuch war, ergab sich, dass dies nur einer Seite der Medaille ist. Ja, und da machte es Klick bei mir. Das war es, was mich störte. Der Ausgleich fehlte mir.

Gleichgewicht!

Unsere Gesellschaft kann dynamisch sein, doch die andere Seite gehört dynamisch wirksam dazu. Welche Seite das ist?

Ihr lernt sie bei jeder Zazen-Praxis kennen. Es ist die Seite der Stille, der Ruhe, der Pause. Es ist das Atmen genau hier und jetzt. Es ist ein Geist, der nicht den 0-1-Folgen in rasanter Geschwindigkeit folgt, sondern es ist ein Geist, der sich der Dynamik des eigenen Atems anpasst. Ein Geist, der nirgendwo mehr hin will, der nichts mehr tun will, der einfach da ist, wo er gerade ist. Schaut euch einmal über die Schulter, wie häufig euch dies im Alltag gelingt?

Genau auf der Kante. Beide Seiten. Dennoch Ruhe. Dennoch Aufmerksamkeit. Oder vielleicht gerade?

Pausendynamik – Dynamikpause

Genau dies, war es, was mich an dem Wort Dynamik aufhorchen ließ. Es kommt die Pause zu kurz. Doch, gerade in der Pause generiert sich neues Leben. Jeder Winter zeigt es uns. Jeder Schlaf zeigt es uns. Und deshalb heißt es im Sandokai, das wir nun schon häufiger rezitiert haben: „Die vier Elemente kehren zu ihrer Natur zurück wie ein Kind zu seiner Mutter. Feuer erhitzt. Wind bewegt. Wasser näßt. Erde ist fest.“

Dies ist eine Beschreibung für diese Pause, dieses Atmen ohne Wollen, diese Hier-Sein ohne ein Müssen, ein Ankommen ohne ein Gehen müssen. Es ist bereits vollbracht. Jeder Augenblick ist bereits vollkommen. Schaut noch mal bei den schönen Pause-Videos bei Marcel vorbei.

Wie wir den Augenblick bewerten wollen, ist ein Wirken, das später folgt. „Die vier Elemente kehren zu ihrer Natur zurück.“ Dies ist auch Dynamik, aber keine die vorwärts, rückwärts, nach oben oder unten oder sonst wohin geht. Es ist eine Dynamik, die den Ruhe-Pol kennt, wie die Katze auf der Kante des Zauns, der die Dynamik nicht zum Stillstand bringt, sondern der gleichzeitige Moment von Stillstand und Dynamik ist.

Die Zazen-Praxis ist ein Beispiel per excellence dafür. Wir bewegen uns nicht. Absolute Bewegungslosigkeit. Stillstand. Möglichst auch des Geistes. Doch der Atem fließt weiter in seiner ihm eigenen Dynamik, seiner eigensten Kraft, die wirkend im Körper und Geist ihre Arbeit tut. Die Zazen-Praxis zeigt uns, wie wir unseren Alltag gestalten können, wenn wir die beiden Seiten Dynamik und Stillstand ins Gleichgewicht bringen wollen.

Einfach sitzen, einfach gehen, einfach Essen kochen, einfach Kinder hüten, einfach still sein, einfach Finger über Tasten schwingen, einfach eine Kiste heben, einfach auf einer Bank sitzen. Die Abwechslung der beiden großen Kräfte – das Gleichgewicht der großen Stärken unseres Körpers und Geistes nutzen. Dann gelingt der Wunsch nach Frieden, nach Freude, nach innerer Ruhe, nach Ausgeglichenheit und Mitgefühl für alle.

So wünsche ich uns allen genau dieses Gleichgewicht der Kräfte, auf, dass wir alle friedlich und wohlwollend bei-ein-ander sind.

Gassho Ellen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die Datenschutzbestimmungen und Nutzungsbedingungen von Google