Gepatcht, getrackt, zusammenkommen

Sonntags-Blog 3. Dezember 2021

Liebe ZenhoflerInnen,

wahrhaft unglaublich, es ist Dezember und der erste Schnee diesen Winters zeigt sich, überzieht die Welt mit diesem Hauch von Stille, Zauber und weißer Reinheit.

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Wenn wir Zazen praktizieren, dann üben wir dieses „Still sitzen“. Einfach sitzen, sage ich immer. Alle Gedanken sterben. Der Atem steht auf. Wir schauen ihm über die Schulter. Er zeigt uns eine andere Welt. Sie ist genauso real, wie die, die wir täglich sehen, weil es ist immer der gleiche Atem und der gleiche Körper und der gleiche Geist – nämlich unserer. Wir sind diese Situation Mensch, die sowohl diese materielle Welt nimmt und bewegt wie diese scheinbar immaterielle Welt, die wir auch bewegen und nehmen.

Wenn wir keine Welt, keine Dinge nehmen würden, wäre wir im all des Ganzen gelandet. Dies ist jederzeit möglich. Die Gewissheit eines Ganzen ist erfahrbar in unserer Geburt und unserem Tod. Sie ist auch erfahrbar tagtäglich in unserem Tun. Lassen wir Geburt und Tod, Nehmen und Lassen, Sein und Nicht-Sein, Aktivität und Bewegungslosigkeit in einem einzigen Moment, einer einzigen Situation gleichzeitig zu. Das unvorstellbare Glück, dass wir uns dann schenken, ist unbeschreibbar.

Im Zazen geschehen noch andere Dinge, die wir nicht sofort bemerken, die etwas dauern, bis sie von uns in das Beobachtungsfeld fallen, integriert und verarbeitet werden können. Manchmal braucht es jemanden, der es sogar verdeutlicht, damit wir es wirklich erkennen können. Das sind diese kleinen Hinweise zum Beispiel, wenn ich dem Rücken Impulse gebe.

In unserer Computerwelt gibt es viele Impulse. Diese lösen Bewegungen aus. Jeder Fingertipp löst gigantische Impulse aus. Diese Bewegungen können fehlerhaft sein, deshalb muss ein Computer ab und zu gepatcht werden. Es ist ein Art Fehlerkorrektur. Dies erleben wir auch in unserem Tun. Ein Kuchen misslingt. Wir essen ihn dennoch, auch wenn es krümmelt. Wir reparieren die Schaufel. Wir ziehen die Schraube fest. Beim Computer wird diese Korrektur patchen genannt. Einige von uns können sich sicherlich noch an die Patchworkdecken der 70-er Jahre erinnern. Kleine Stoffreste oder Wollreste wurden zu Decken verarbeitet. Ich selbst habe damals aus vielen Wollresten eine solche Decke gestrickt, gehäkelt, zusammengenäht, so dass alles, was noch an Resten von Wolle da war, zusammenkam zu einem neuen Werk.

Wir können patchen also mit Blick auf den Fehler betrachten. Wir können patchen aber auch im Hinblick auf Umwandlung und Neugestaltung mit Hilfe von Altem sehen. In der Zazen-Praxis geschieht dies. Wir wandeln unsere alten Schemata, Strukturen, Ansichten, Vorstellungen ganz langsam um. Wir verwandeln uns unsichtbar. Ein Beispiel. Michaela konnte daheim einfach nicht allein meditieren. Es gelang einfach nicht. Jetzt nach fast zwei Jahren steht sie hier und erzählt: Ich konnte ja nicht kommen. Aber dann hatte ich ein solches Bedürfnis zu sitzen, dass ich es daheim getan habe. Ja, und es ging. Jetzt geht es!

Dies beschreibt so eine Art Patchwork. Eine alte Struktur hat sich verändert, sich umgewandelt. Wenn es uns dann gelingt, diesen Impuls zu hören, dieses Bedürfnis zu erlauschen, dann geschieht dieses neue Werk. Herzlichen Dank für diese Erfahrung.

Ja, und dann gibt es beim Computer noch das Tracken. Dies ist in der Computerwelt genau das, was uns nicht gefällt. Unsere Bewegungen, Fingertipps auf dem Computer werden verfolgt, aufgezeichnet und verwertet.

Das Wichtige für uns, ist das Tun des Tracken. Es beobachtet Bewegungen. Dies ist ein Feld der Zazen-Praxis. Wir beobachten das Körperfeld, das Geistfeld und bei fortgeschrittener Praxis, deren Verknüpfungen. Wir beobachten den Atem, der mal hier ist und mal dort. Wir beobachten, dass, wenn wir an das Weihnachtsfest denken, einen Schweißausbruch oder Kälteschub bekommen oder Freude/Trauer erscheint. Wir beobachten, dass unser Atem von der tiefen Bauchatmung in die obere Lungenatmung wechselt. Wir tracken uns also auch. Der große Unterschied zur Computerwelt.

Wir bewerten nicht. Wir wollen unsere bemerkten Bewegungen nicht irgend wofür nutzen. Wir wollen es einfach beobachten und wie von selbst entsteht die neue Patchwork-Decke. Unsere jeweils ganz Eigene. Sie erfährt beständig Umwandlungen, Erneuerungen und Erweiterungen, auch wenn wir dies zu Beginn nicht bewusst bemerken.

Ich wünsche uns allen eine möglichst vielfältige bunte eigene Patchwork-Decke, die vielen Menschen hilft, sich warm zu halten. So entsteht ein Zusammenkommen, ein Zusammenkommen mit Wärme. Dafür steht der Zenhof Rödental. Zazen – ein Zusammenkommen mit Wärme. Zuerst mit Dir durch Dich, dann mit allem, was dir begegnet.

Eine gute Woche Euch allen. Ein gutes Gelingen beim Zusammenstellen der bunten vielfältigen eigenen Patchwork-Decke, deren Patchen und Tracken uns zeigt, was wir alles können. Die Vielfalt einer unglaublich bunten Menschlichkeit sichtbar gemacht.

Einen schönen Sonntagabend.

Gassho Ellen

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