Tanzende Insekten

SonntagsBlog „Tanzende Insekten“, 30.Juni 2024

Liebe ZenhoflerInnen,

Sonnenwendfeier. Jahresmitte. Sommerzeit. Warme Winde. Gewitter, die die Luft reinigen. Schwüle. Trockene Wärme. Sonnenschein. Mittendrin tanzende Insekten über Blütenmeere. Meine Madonnenlilie im Garten ist geöffnet und selbst abends im Dunkeln fühlen sich Insekten noch von ihr angezogen und naschen an ihr. Ist es ihr weiß? Ist es ihr zarter Duft nach Vanille, Jasmin …? Ist es ihre aufrechte Gestalt? Sind es die tellerförmigen Blätter mit ihrem eigenen Duft? Wir wissen es nicht. Das Einzige, was wir sehen und manchmal auch hören können, sind die Insekten, die diese Blüten jetzt umkreisen.

Was hören wir wirklich? Würden wir einmal jede Erklärung lassen, würden wir einmal einfach nur wirklich hören, was würden wir tatsächlich hören?

Der Zen-Weg

Ihr wisst, dies sind Fragen des Zen-Weges? Wir geben uns nicht so einfach geschlagen. Wir wollen erfahren, was es wirklich ist. Keine KI-Erklärung kann uns das geben, was wir hier wirklich wissen wollen, wofür wir ein Gespür entwickeln wollen.

Wir sitzen still und beobachten. Je länger wir beobachten, je mehr bemerken wir. Dies ist nicht nur im Zazen so, sondern wir beobachten plötzlich, dass wir auch im Alltag viel mehr bemerken. Wir sehen, dass wir auch die Trampelpfade plötzlich entdecken und Augenblick für Augenblick stehen wir dann dort und ob wir wollen oder nicht, unsere Füße, unsere Augen, unsere Nase und und und müssen sich entscheiden, Trampelpfad oder Autobahn und Bundesstraße, wie gewohnt? Jedes Mal neu eine Entscheidung! Eine Herausforderung!

Über die Brücke gehen oder lieber nicht?

Bemächtigen wir uns unseres Körpers und Geistes oder erfahren wir die Beiden als unsere Partner?

Nehmen wir den nächsten Atemzug so wie er ist oder versuchen wir ihm aufzudrücken, wo er sein soll, weil die Bauchatmung ist doch das Gewollte, das Gesunde.

Was tun wir dann? Wir drücken unseren Körper in etwas hinein, was er vielleicht jetzt gar nicht benötigt. Er entscheidet sich für Brustatmung, denn das ist jetzt das, was er braucht. Unseren Geist nötigen wir, den Atem in den Bauch zu lenken und halten ihn so davon ab, frei zu sein und wir können ihn nicht mehr frei beobachten. Ohne dass wir es ahnen, üben wir Zwänge auf uns selbst aus. Wir glauben, hier noch ein bisschen dehnen, hier noch ein wenig strecken, hier noch ein wenig kräftiger bewegen, den Muskeln, das Band, die Sehne auch noch.  Doch, wer von uns fragt den Körper und Geist, ob sie das JETZT wirklich benötigen, ob die Not von Körper und Geist so groß ist, dass sie JETZT diese Eingabe von uns brauchen?

Unsere erste Partnerschaft üben

Ist es unter solchen Umständen nicht das Erste zu lernen, was dieser Körper, dieser Geist wirklich ist und ihn so frei wie möglich das tun lassen, was sie wirklich tun wollen? Was lässt uns immer meinen, dass wir es besser wissen? Was hindert uns diesen gutmütigen Partner unseres Lebens wirklich kennen zu lernen, ohne uns einzumischen?

Alles lassen!

Die Insekten zu beobachten wie viele ihrer Art an einer einzigen Pflanze umherschwirren und ein jedes landet in einer Blüte und saugt. Ein sich permanent veränderndes Bild direkt vor unserer Nase. Die Insekten fragen nicht Autobahn oder Trampelpfad. Ist die Öffnung der Blüte eng, aber sie riechen oder wie immer sie es erfahren, hier genau hier muss ich durch, dann tun sie es und manchmal kehren sie zurück in die offene Weite des Himmels um es erneut zu tun. Die nächste Blüte und noch eine und noch eine. Sie hören nicht auf zu tun.

Kein Hindernis zu groß. Keine Furcht.

Wenn wir Zazen sitzen und mit dieser Erfahrung in die Welt gehen, ist es ähnlich. Wir nehmen Autobahnen, Trampelpfade, fliegen zurück an den Anfang, sehen uns zu wie sich die Gestalt des Atems verändert – eine andere Blüte. Und ohne dass wir es erklären und beschreiben könnten, tut sich etwas in uns. Es entsteht eine Bewegung, die sich langsam beginnt auch im Außen zu zeigen. Es entsteht eine Bewegung, die nicht mehr Inneres und Äußeres trennt, sondern die beiden immer näher zusammenfügt. Diesem haben wir den Namen gegeben: zufriedenes authentisches Leben.

Der Wurm im Apfel – auch ein zufriedenes authentisches Selbst?

Wach-sen

So wie die Insekten viele viele Blüten in den unterschiedlichsten Gestalten, Farben und Formen anfliegen und sich auf jede einlassen, so lassen wir uns in Zazen auf jeden Atemzug, jede Geistbewegung ein. Wir kontrollieren nicht. Wir fürchten uns nicht. Wir laufen nicht weg. Wir lassen uns nicht ablenken. Wir sitzen einfach weiter. Lassen uns darauf ein. Fangen wieder von vorne an. Nehmen uns unseren Körper und Geist als LehrmeisterIn und wir sind stille friedliche SchülerInnen dieses Geschehen. Nicht einmischen! Nicht bewegen! Hinschauen! Achtung! Jetzt! Hier!

Die Bewegung unseres bewegungslosen Körpers kombiniert mit dem immer stiller werdenden Geist führt zur Aufhebung der Trennung.

Die wünsche ich uns jetzt allen. Die Aufhebung der Trennung. Im Tun immer wieder erfahren: Jetzt. Hier. Genau das. Mehr nicht und weniger auch nicht. Jede Blüte ein Lehrer, eine Lehrerin und ich selbst bin ein Diener, eine Dienerin, schaue mir zu wie ich dabei lerne und wach-se.

Auf ein gutes Wach-sen!

Herzlich Ellen Daoren

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