Selbstdisziplin

SonntagsBlog „Selbstdisziplin“, 2. November 2025

Liebe ZenhoflerInnen,

gestern hatten wir den Tag der offenen Tür. Es war ein wunderbarer Tag. Erstens, weil ihr ZenhoflerInnen wunderbar wart. Ihr habt Kuchen gebacken, Kaffee gekocht, die Tür geöffnet, die Menschen empfangen, miteinander geredet, von eurer Zazen-Praxis erzählt, gespült, aufgeräumt und Werbung gemacht und und und. Ich kann nur DANKE euch allen sagen.

Die Mutigen! Die Fleißigen! Die Sich-Vertrauenden!

Tag der offenen Tür 2025

Zweitens waren wunderbare Menschen hier, die sich nach dem Zenhof erkundigt haben. Menschen, die mit uns in den Austausch gingen und uns somit aufforderten, bleibt dabei, bleibt dran, es ist gut so. Als um 17.30 Uhr die letzten Gäste den Zenhof verließen, wurde gesagt, dass sie sich bedanken für das herzliche Willkommen und die freundliche Aufnahme.

Und das seid Ihr alle! Eine tiefe Verbeugung vor Euch allen.

Selbstdisziplin

Ja, und dann sagte ein Gast im Zendo nach ein paar Minuten gemeinsam sitzen, dass diese Art zu meditieren viel mit Selbstdisziplin zu tun habe. Und da fiel mir auf, dass dieses Wort in der Regel mit einer Härte zu sich selbst ausgedrückt wird, aber gerade Selbstdisziplin ist dies nicht.

Das Wort „Disziplin“ kommt aus dem Lateinischen und steht für „disziplinus“, eine SchülerIn sein. Bei der Selbstdisziplin sind wir also Schülerinnen unseres eigenen Selbst. Und dabei entsteht die Frage, was dieses Selbst ist. Was kann mich dieses seltsame Selbst lehren, so dass ich dessen SchülerIn bin?

Das Selbst und die Selbste

In der Regel legen wir ein Selbst fest. Wir sind Thomas, Friderike, Helmut, Ellen und wir sind männlich, weiblich und wir leben verheiratet, als Single, geschieden, in Partnerschaft und wir sind gesund und wir haben diese krankhaften Leiden… Wir sind Arzt, Schreiner, Putzfrau und so formen wir uns und bewegen uns in diesem scheinbar festen Selbst.

Welche Selbste strahlen hier?

Doch das Selbst ist das Variabelste, was ich kenne, denn es verändert sich ständig. Augenblick für Augenblick entstehen neue Selbste von uns. Gerade noch fuhr der Finger am Sahnebecher entlang, um jetzt unterm Wasserkran abgespült zu werden. Sind wir in beiden Fällen dasselbe Selbst?

Schauen wir genau hin, sehen wir, dass wir das nicht sind. Die Finger nehmen andere Formen ein. Der Geist ist bereits weitergelaufen und in anderweitigen Gedanken unterwegs. Die Umgebung änderte sich mit. Völlig neu ist jeder dieser Augenblicke, aber wir meinen, weil wir es so lernten, dass wir immer genau dieses Selbst sind, das Friderike, Ellen oder Manfred heißt.

Das sich wandelnde Selbst ist ganz frei

Beginnen wir das Selbst als ein Veränderliches zu betrachten, dann beginnen wir mit der Selbstdisziplin, dann beginnen wir SchülerInnen unseres eigenen wandelfähigen Selbst zu sein. Die Selbste werden unsere LehrerInnen. Wir sind BeobachterInnen. Wir sind Zusehende, Zuhörende, Spürende, Schmeckende, Riechende, Denkende. Wir sind keine „Herrscher“ mehr über…, sondern wir sind „Befreite“ von….

Oryoki ist, meiner Meinung nach, einer der Orte, wo uns das SchülerInnen sein, am besten gelingen kann.

Das befreite Selbst

Und genau das ist Zen-Praxis. Wir befreien uns langsam, zart und vorsichtig von unseren festen Selbsten. Wir vertrauen diesen wandelfähigen Selbsten unser Leben an und die dabei entstehende Furcht bemerken wir, aber wir lassen uns nicht von ihr zurückschrecken. So wie es im Herz-Sūtra steht. „Ohne Hindernis keine Furcht“. Wir vertrauen darauf, dass in diesem Augenblick unser wirkliches Selbst in genau diesem Augenblick uns durch dieses Hindernis führt und uns somit die Angst vergessen lässt und wir einfach hindurchschreiten.

Und je öfter uns dies gelingt, umso mehr berühren wir unser eigenes wirkliches Leben. Das Leben, das unsere eigene Geschichte erzählt und nicht die Geschichte von Vater, Mutter, Onkel, Tante und …

Eine SchülerIn dieses eigenen Selbst zu sein, bedeutet immer wieder neu die Fähigkeit zu üben, genau hier in diesem Augenblick zu sein, nicht irgendwie, sondern mit den inneren Einstellungen: Was weiß ich noch nicht? Was passiert hier wirklich? Was tue ich gerade?

Wenn ich eine Stunde Walnüsse knacke, was tue ich da wirklich?

Wenn ich eine Stunde Äpfel schäle, was tue ich da wirklich?

Wenn ich eine Stunde Papier sortiere, was tue ich wirklich?

Was tue ich wirklich?

Zazen und das befreite Selbst

In allem Tun liegt offen vor uns, was wir wirklich gerade tun, welches Selbst uns gerade begegnet, aber wir sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen, denken es nicht, weil es völlig neu und unbekannt ist. Und genau hier setzt Zazen an. Es schenkt uns die Möglichkeit, hier in diesem genauen Augenblick beweglicher zu werden, genauer hinsehen zu lernen, mehr Vertrauen zu uns selbst zu bekommen, absolut Neues zu erfahren, zu reifen, zu wach-sen und in unser Leben zu treten wie Frischlinge. Neu, unverbraucht, ganz und vollständig, neugierig auf die Welt und sein Dasein, friedlich und irgendwie tatsächlich glück-lich. Denn es ist ein Glück Selbstdisziplin in seinem ganzen Umfang zu erfahren.

Das wünsche ich uns allen. Lasst uns mit unserer eigensten „Selbst-Disziplin“ glück-lich sein!

Herzlichen Dank Euch allen.

Eure Ellen Daoren.

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