Mögen unsere Absichten …

SonntagsBlog „Mögen unsere Absichten…“, 15. Juni 2025

Liebe ZenhoflerInnen,

Mitte Juni. Der volle Mond verabschiedet sich bereits und läuft mit Erde und Sonne seiner Bahn entlang. Wir schauen zu. Er nimmt zu. Er ist rund. Er nimmt ab. Ist das nicht so wie unser aller Leben?

Welch ein großes Mit-ein-ander! Sonne, Mond und Sterne! Wann sind wir Sonne? Wann Mond? Wann Sterne?

Das Studium und die Absicht es zu tun

Seitdem wir aus dem Zenkloster Noorder Poort in Holland zurück sind, machen wir diese kleinen Studienzeiten. Jedes Mal sind andere von Euch dabei. Und jedes Mal sprechen wir, nachdem wir gelesen, studiert, uns darüber ausgetauscht und nachgesonnen haben in der Meditation, die vier Gelöbnisse eines Bodhisattva (jemand, der verspricht, die Menschen zu geleiten, die Gier nach…abzulegen, alle Situationen des Lebens zu meistern und die vollständige Wirklichkeit zu erfahren und dies eben an alle weiterzugeben).

Es beginnt mit: Mögen unsere Absichten gleichermaßen jedes Wesen und jeden Ort durchdringen mit dem wahren Verdienst des Buddha-Weges.

Ab-Sicht-en

Was bedeutet das? Mögen unsere Absichten? Was sind Absichten? Und diese Absichten, die ich habe, sollen alles, was in dieser Welt existiert mit einem wahren Verdienst eines Buddha-Weges „krönen“? Wie könnte einem jedem von uns dies gelingen?

Heute kennen wir das Wort „Absicht“ nur in der Bedeutung, ein Ziel verfolgen, eine Intention haben, einem Zweck dienlich sein. Doch die „wahre Absicht“ steht für ein Bestreben nach, etwas zu schaffen. Zu erschaffen. Und das Wort „Absicht“ hat mit „absehen“ und somit mit „sehen“ zu tun. Und da ist es! Das Sehen!

Was sehen wir hier wirklich? Was siehst du Augenblick für Augenblick? Gedanken? Körper? Geist? Emotion? Wann leert es sich?

Über das Ab-Sehen

Was sehen wir? Was sehen wir nicht? Wenn unsere Absichten jedes Wesen und jeden Ort durchdringen soll, bedeutet dies, dass wir zuerst diese Wesen und diese Orte sehen können sollten. Wer von uns kann das?

Im Laufe Eurer Praxis von Zazen solltet ihr bemerkt haben, dass Euer Sehen sich erweitert hat. Etwas, was Euch früher weder an Euch selbst noch an Anderen und an Anderem aufgefallen wäre, fällt Euch nun ins Blick-Feld. Genau das ist es!

Wir legen die Sicht frei!

Wir legen die Sicht frei. Wir erkennen die Absicht. Absehen ist etwas durch Beobachtung erlernen, sagt das DWDS. Etwas überblicken. Wie ein Vogel, der im Flug über die Felder fliegt und die klitzekleine Maus dort unter ihm über das Feld huschen sieht. Genauso sollten wir alle sehen lernen, denn dann gelingt es uns, diesen einen Augenblick, indem wir das Feld überblicken, diesen Ort, dieses Wesen zu sehen und das ist der Buddha-Weg. Das Sehen eines einzigen echten Augen-Blicks!

Wie in der Schwitzhütte! Wann sahen wir wirklich genau diesen einen Funken vom Holz sprühen? Haben wir die Absicht gehabt, ihn zu durchdringen, indem wir bereit waren, genau ihn in diesem einen Augenblick zu sehen?

Zazen und seine Kraft

Wir, Menschen sind leid-er nicht so geboren, dass es uns ohne Übung gelingt. Daher gibt es Zazen. Es schon sehr alt und geht über diese Welt und spricht Menschen an. Manche lassen sich ansprechen, andere nicht. Das ist so. Doch, die, die Absicht des Zazen in sich selbst spüren, die sind genau da, dieses Augen-Blick-Feld genauer unter die Lupe zu nehmen und diesen Augen-Blick so zu würdigen, wie es ihm entspricht. Nicht wie ich/wir denke/n, dass er entsprechen sollte, sondern die Fähigkeit entwickeln, ihm den Raum zu lassen, dass zu sein, was dieser Raum gerade ist. Das hört sich leicht an, aber das ist es nicht. Erst, wenn ich meine eigenen Gedanken-felder, meine eigenen Taten, mein eigenes tägliches Sein (die Regeln des achtfachen Pfades greifen hier) unter diese Lupe nehme, ein Adler im Flug nach einer Maus bin, dann beginne ich langsam zu begreifen. Ja, wir begreifen, denn wir greifen mit den Augen mitten in das eigene Feld. Wir sehen zu wie wir uns einmischen, wie wir eine Richtung festlegen wollen, wie wir jemandem „Böses“ andenken und wie wir „Gutes“ entstehen lassen.

Das ist alles!

Wichtig ist einfach nur zu wissen, wann wir, was tun! Das ist alles! Wie sagte Jiun Hogen Roshi jetzt: „Wenn es passiert ist, ist es passiert. Es gibt kein zurück. Du kannst es nur beim nächsten Mal besser machen.“ Und das bedeutet, SEHEN lernen!

Wir wissen alle wie schwer dies ist, ein einziger Augen-Blick (das sind Sekundenbruchteile) und dies Augen-Blick für Augen-Blick dieses Be-obachten und Be-merken aufrecht zu erhalten. Wie häufig gleiten die Gedanken während Zazen ab ins nirgendwo, statt an dem Ort zu sein, an dem wir gerade sind. Das Atmen! Einatmen! Pause! Ausatmen! Pause! Immer wieder zurück – jetzt. Und noch einmal. Jetzt.

Und gelingt uns der Augen-Blick, so wissen wir es sofort. Wir wissen es einfach ohne je darüber nachgedacht zu haben.

Und das wünsche ich uns allen – JETZT!

Möge es uns gelingen, die Absichten gleichermaßen jedes Wesen (auch die Tasse Tee in unserer Hand) und jeden Ort (auch die Jauchegrube) zu durchdringen mit dem wahren Verdienst des Buddha-Weges.

Ich sehe dich, so wie du bist! Nicht wie ich dich gerne hätte!

Ein „Ja“ ich sehe dich!

Herzlich und ein tiefes Gassho an Euch alle.

Ellen Daoren

3 Kommentare

  1. Hallo liebe Ellen, das hast du sehr schön geschrieben und auf den Punkt gebracht. Ja ich seh dich . Es ist immer sehr schön , wie du schreibst , vielen lieben Dank dafür

  2. Liebe Ellen,
    ein von Herzen kommender tiefer Dank für deine wahren und Worte. Welch schöne und inspirieren Ausrichtung für meinen Wochenstart.

    Herzliche Grüße,
    Andreas ☺️🙏🏻

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