In den Himmel schauen

SonntagsBlog „In den Himmel schauen“, 25. Mai 2025

Liebe ZenhoflerInnen,

öfter mal in den Himmel schauen, war in den letzten Tagen sehr schön, denn das Blau des Himmels und die kleinen Wolken nahmen uns einfach mit in die Fernen der unbekannten Länder. Und auch wenn nun der vollverdiente Regen die Natur stärkt, so kann der Blick in den Himmel uns vieles lehren.

Was entdecken wir in ihm? Wo hört der Baum auf? Wo fängt der Himmel an? Ist da wirklich eine Grenze?

Veränderung!

Augenblick für Augenblick sehen wir zu wie sich eine Wolke aufbaut, vergrößert und mit anderen zusammenschmilzt. Wir sehen wie sie sich auflösen und in einem Blau verschwinden. Wir sehen im Grau des regnerischen Himmels Meere von Grautönen an uns vorüberziehen. Unendlich sichtbare Veränderung.

Nur eine einzige Wolke! Was bewegt sie? Was lässt sie uns sehen? Wie lehrt sie uns den Himmel auf Erden zu erfahren?

Doch wann schauen wir einmal wirklich in den Himmel? Schauen wir nicht meistens nach den Objekten hier direkt vor unserer Nase? Die Tasse Kaffee? Das Auto? Der Kindersitz? Der Brief? Das Unkraut? Die blühende Rose?

Ist das auch Himmel?

Sicherlich ist dies auch Himmel. Doch ich glaube, dass, wenn wir den wirklichen Himmel nicht mehr beachten, den anderen Himmel auch nicht mehr sehen. Und so sage ich: Tut es einfach! Schaut einfach mal wieder in den Himmel! Einfach so!

Seht die Blätterdächer sich bewegen im Wind. Seht die Blauheit einer unendlichen Weite. Seht die Bewegungen von Wolkenbildern. Seht den Vogel und bleibt bei seinem Flug. Bleibt bei einer einzigen Wolke. Bleibt bei einem einzigen Fleckchen Blau. Bleibt bei einem einzigen Atemzug.

Veränderung!

Was ist Veränderung? Was ist Himmel? Im christlichen Vater unser heißt es, wie im Himmel so auf Erden. Was ist also Himmel, wenn wir das Verändern mit hineinnehmen? Was verändert der Himmel, wenn wir ihn wirklich bemerken und sehen?

Gehen wir von der buddhistischen Auffassung aus, dass wir ungetrennte Wesen sind, so kann logischerweise der Himmel jetzt genau hier sein. Ist er das? Wie können wir den Himmel in unserem Jetzt und Hier bemerken?

Dōgen Zenji sagt: „Das Wasser ist das Leben und der Himmel ist das Leben. Vögel sind das Leben und Fische sind das Leben.“ (Dōgen Zenji 2013a, S. 61)

Was bedeutet das? Das Lebendig, was ist das? Dōgen sagt weiter: „Das wesentliche Tun eines jeden Buddhas ist im Allgemeinen jeder Augenblick, in dem er seinen Kopf dreht oder die Miene verändert.“ (Dōgen Zenji 2013b, S. 117)

Der Himmel auf Erden? Was lehrt uns die Erde über den Himmel?

Der Himmel auf Erden

Das heißt, jedes Tun, wirkliche Tun ist bereits Himmel. Nur ergeht es uns meistens so, dass wir unsere Aufmerksamkeit und unseren Geist in den Objekten verweilen lassen, statt den Ort in den Blick zu nehmen, der es ermöglicht ein Objekt zu bemerken. Wir sind nicht bei den Augen, die sehen, wenn wir sehen. Wir sind nicht bei den Ohren, wenn wir etwas hören. Wir sind nicht bei den Händen, wenn sie etwas greifen. Wir sind nicht bei den Füßen, wenn wir gehen. Wir sind nicht beim Mund, wenn wir sprechen. Täten wir dies, würde uns der Himmel gewahr.

Was machen die Hände, wenn die Füße still stehen? Was machen die Füße, wenn die Hände etwas formen? Was machen die Augen, wenn die Hände eine Form greifen? Was machen die Hände?

Das Wunder!

Das Wunder, das damit verbunden ist, wenn wir den Himmel gewahr sind, so erkennen wir gleichzeitig auch die Erde wieder als die Erde. Die Erde, die wir sind. Fällt uns also der Himmel in unserem Tun mit Hilfe unseres übenden Körpers und Geistes (Zazen) in den Schoß, entdecken wir gleichzeitig eine veränderte Welt – ein Wunder!

Der Himmel auf Erden!

Und ein Wunder ist nichts anderes als einen absolut gegenwärtigen Augenblick vollständig zu erblicken. Und das ist der Himmel auf Erden.

Diesen Himmel auf Erden wünsche ich uns jetzt allen, denn er macht uns friedlich. Also lasst uns weiter im Himmel auf Erden sitzen (ZAZEN) und ihn immer wieder in seinen fortwährenden Veränderungen und Wundern entdecken. Auf dass er uns allen zum Himmel auf Erden wird.

„Ein alter Meister pries [das Sitzen] mit den Worten: ‚Zazen ist das Dharma-Tor des Friedens und der Freude.‘“ (Dōgen Zenji 2013a, 36, Bd. I)

Herzlich

Eure Ellen Daoren

Literaturverzeichnis

Dōgen Zenji (2013a): Shōbōgenzō. 4 Bände. Heidelberg-Leimen: Kristkeitz (Band I).

Dōgen Zenji (2013b): Shōbōgenzō. 4 Bände. Heidelberg-Leimen: Kristkeitz (Band II).

2 Kommentare

  1. Liebe Ellen,
    vielen Dank für diese wunder-vollen Zeilen. Sie haben mich sehr berührt und mir mal wieder die eigene Blindheit vor Augen geführt.
    Danke für das Foto vom Sommerfest. Erinnerungen leben neu, der wunderschöne Tag in Gemeinschaft mit lieben Menschen, Gehen und Gestalten. Himmel und Erde.

    So lasst uns alle weitergehen, weiterüben, an jedem neuen Tag.

    Gassho Manfred

  2. Danke liebe Ellen für Deine besonderen und liebevolle Ausführungen zu dem, was uns täglich umgibt und wir doch oft nicht bewusst sehen. Auch wenn ich zeitlich bei Veranstaltungen nicht dabei sein kann. Die Nachlese ist schon Meditation. Danke für all Dein Mühen.

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