Herzensgrüße vom Himmel

SonntagsBlog „Herzensgrüße vom Himmel“, 27. April 2025

Liebe ZenhoflerInnen,

nun ist das Osterfest, die Auferstehungsfeier, die Begrüßung des neuen Werdens der Natur, das Aufleben neuer Wesen scheinbar vorüber. Wenn die Ferien mit diesem Wochenende vorüber sind, scheint der Alltag mit seinen Bürden, kleinen Freuden, Ärgern und Freuden wieder loszugehen.

Doch, ist das neue Werden, das Aufleben neu geborener Wesen und die Auferstehung wirklich vorüber, nur weil das Fest vorüber ist?

Die Herzensgrüße des Himmels sind weiterhin sichtbar. Jeden Tag eine neue Blüte. Jeden Tag eine neue Geburt. Jeden Tag ein Wachsen. Jeden Tag ein Vorwärtsschreiten ohne Halt und Stopp. Sogar nicht nur jeden Tag, wahrhaftig jede Minute unseres Tages. Überall auf der Welt finden Feierlichkeiten zu Ehren des neuen Wachsens statt. Denn dieses Wachsen macht eine Frucht möglich. Von dieser Frucht leben wir.

In Japan feiern die Menschen das Kirschblütenfest. In der christlichen Welt das Osterfest. In vielen anderen Traditionen auf der Welt wird diese Zeit mit Blumenfesten und Lichtfesten begangen. Wir Menschen bringen hiermit unsere Dankbarkeit, Ehrfurcht und Freude zum Ausdruck, dass dieses Leben fruchtbar weitergeht. Unsere Nahrung gesichert ist. Unsere Fortkommenschaft.

All dieses Werden wächst, wohin? All diese Früchte sind nicht ohne was reifend? All dieses Blühen findet wo statt?

Es ist der Himmel. Selbst die Früchte der tiefen Erde bedürfen des Himmels. Die Kartoffel wächst und gedeiht unter der Erde. Doch ihr Wachsen ist nur möglich über die Pflanze, die in den Himmel wächst.

Wo beginnt der Himmel?

Am Ende des letzten Pflanzenteils? Am Ende der Baumkrone? Am Ende des Blütenblattes? Wo beginnt der Himmel? Ist dies nicht eine Frage, die uns Menschen immer wieder leise, still und heimlich begleitet?

Der Himmel auf Erden?

Im Wortherkunftslexikon wird der Himmel auf Erden so beschrieben:

  1. die denkbar beste, ideale Situation
    1. a) gesellschaftliche Verhältnisse, in denen frei von Ausbeutung und Konflikten allgemeiner Wohlstand, Zufriedenheit und Gleichberechtigung herrschen
    2. b) Ort, Zeitraum des vollkommenen persönlichen Glücks und der Zufriedenheit
    3. c) Ort (in der Natur), der sich durch besondere landschaftliche Schönheit, oft auch durch außergewöhnliche Fruchtbarkeit auszeichnet

Wann erinnern wir uns an den Himmel auf Erden in unserem bisherigen Leben?

Als wir jetzt im Oster-Sesshin saßen, war scheinbar der Himmel auf Erden genau so weit weg, wie wenn die Feierlichkeiten vorüber sind und der Alltag einkehrt. Die Schmerzen. Das emotional auftauchende Leid. Die Unsicherheiten. Die Fragen. Die Herausforderungen. Die scheinbar einengende Struktur eines Plans. Die Begegnungen mit den anderen Menschen. Überall eher kein Himmel auf Erden, sondern eher die Hölle auf Erden? Oryoki-Mahlzeiten. Verbeugungen. Sūtra-Rezitationen. Zazen. Alles eher die Hölle als ein Himmel?

Unsere Oster-Sesshin Runde 2025

Doch, schauen wir einmal genauer hin! Tobias aus der Schwitzhütte sagte: LOOK!

Die „denkbar beste ideal Situation“:

Ist eine Oryoki-Mahlzeit nicht eine denkbar beste ideale Situation? Jeder Handgriff ist praktisch gesichert. Um nichts muss ich mir Sorgen machen. Es ist klar, das und das geschieht jetzt. Die Situation ist Handgriff für Handgriff durchdacht und in seine best mögliche Form gebracht, die in Jahrhunderten gesammelt wurden.

„Zufriedenheit und Gleichberechtigung, frei von Ausbeutung, allgemeiner Wohl-stand“.

Ist nicht jeder der im Sesshin Sitzenden gleichberechtigt? Jeder sitzt mit genau dem Seinen. Niemand mischt sich ein. Ein Jeder tut, was er tut mit seiner ganzen Kraft. Der Körper und der Geist erleben Freiheit und nicht Ausbeutung wie auf vielen Arbeitsplätzen. Und ein Sesshin sitzen, ist harte Arbeit.

Der Körper und der Geist bemerken nach einiger Zeit einen allgemeinen Wohl-stand, denn sie reinigen sich durch das Sitzen in Stille und Frieden. Die Zufriedenheit mit diesem Ort zu diesem Zeitpunkt steigt mit dem Leeren von eigenen Festsetzungen an. Je freier wir den Körper und Geist sein Werk tun lassen, je zufriedener werden wir. Die Blüte reift. Das Wachsen beginnt. Die Früchte schon in erreichbarer Nähe.

Doch, da ist noch die Brücke über dem schlammigen Wasser! Hält sie?

„Der Ort des vollkommenen Glücks“.

Gibt es nicht nur einen einzigen Ort, an dem wir das vollkommene Glück erleben und erfahren können? Ist dieser Ort nicht genau dieser eine Körper, dieser eine Geist, der der unsrige selbst ist? Wo sollten wir suchen, wenn nicht genau hier, wo dieser eine Ort ist?

Unser Körper. Unser Geist. Unsere ganze Welt.

Der Himmel auf Erden ist genau dieser Ort, dessen Schönheit wir erst sehen und begreifen, wenn wir spüren, dass uns die Kräfte verlassen, wenn wir spüren, dass wir diesen wunderbaren Ort verlassen müssen.

Die Herzensgrüße des Himmels liegen direkt vor unserer Nase, unseren Ohren, unseren Augen, unserem Herzen. Wir brauchen nur Sehen lernen, begreifen lernen.

Nicht begreifen im Sinne eines gedanklichen Begreifens, sondern eines Herzensbegreifen. Ein Sehen, das jederzeit und jeden Augen-Blick die Schönheit eines Momentes zeigt, den wir so selten sehen und selten begreifen. Dieser Himmel auf Erden zieht in seiner Herzenskraft von uns ungesehen an uns vorüber.

Wir halten Ausschau. Wir suchen. Wir lenken unseren Blick zu scheinbaren Freuden. Wir verpassen regelrecht das Wachsen, das Blühen, das Reifen, das Früchte Hervorbringende. Wir sind Gefangene unseres beengten Geistes. Dabei sind die Herzensgrüße des Himmels jederzeit als ein Geschenk für uns bereit.

Abertausende von Herzensgrüßen ganz genau an diesem Ort für uns selbst! Sehen wir es?

In der Zazen-Praxis können wir diese Herzensgrüße des Himmels sehen lernen.

Das Einzige dessen es bedarf, ist die Bereitschaft lernen zu wollen. Lernen den Himmel, das Herz, das Be-Grüßen direkt an unseren Körper und Geist zu sehen.

Was sollte es Schöneres geben? Die Früchte unseres eigenen Seins lebendig sein zu lassen, als ein Herzensgruß vom Himmel, dem ich mich öffne und dem ich folge, denn genau das ist der Himmel auf Erden selbst.

Herzliche Grüße und tiefes Gassho

Eure Ellen Daoren

4 Kommentare

  1. Das hast du wunderschön geschrieben.
    Der Himmel auf Erden, Metapher eines allumfassenden Glücks und grenzenloser Zufriedenheit.
    Assoziation mit etwas „da draußen“, doch in Wirklichkeit Frieden unseres Geistes in unserem Körper.
    Vollkommene Harmonie.

    Danke

    1. Guten Morgen Ellen,

      mein herzlichsten Dank für diese schönen und mich inspirierenden Zeilen. Frieden auf Erden durch Frieden in uns selbst. Dem möchte ich mich gern verschreiben und meine Zeit hier auf Erden hingeben so gut ich kann.

      Herzliche Grüße, Andreas.
      🙏🏻☺️

  2. Oh wie schön guten Morgen liebe Ellen das hast du sehr schön geschrieben vielen lieben Dank 🙏da fängt der Tag doch gleich gut an.
    Liebe Grüße Heike

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