Ein WIR und ein ICH

SonntagsBlog „Ein Wir und ein Ich“, 2. März 2025

Liebe ZenhoflerInnen,

unsere zweite große Veranstaltung im Zenhof nach der Mitgliederversammlung endete heute mit einem gemeinsamen Frühstück. Die zweite Zen-und Gong-Nacht ist mit Erkenntnissen, Zufriedenheit, Dankbarkeit beendet worden. An dieser Stelle allen Teilnehmern ein herzliches Danke, denn nur durch die Menschen lebt ein solches Tun. Ein besonderer Dank gilt Marco und Manfred, die nicht nur Gong spielten, sondern auch noch die Doan-Funktion im Zendo übernommen haben. Einfach großartig. Danke.

Alle gemeinsam saßen wir zusammen auf dem Kissen und dennoch jeweils ein ganz eigenes Ich. Alle standen wir auf und gingen in den Zendo. Alle gemeinsam legten wir uns auf unsere Matratzenbetten. Alle gemeinsam sprachen wir morgens das Herz-Sūtra. Alle gemeinsam machten wir drei Verbeugungen.

Zweite Zen-und Gong Nacht 2025

Das Wörtchen WIR

Wenn wir das Wort Wir benutzen, dann kann etwas Seltsames geschehen, wie in dieser Geschichte, die Manfred für uns am Abend zuvor beim Abendessen vorlas.

„So, das wollen wir mal lesen. So, jetzt nehmen wir unsere Tablette und dann werden wir schön schlafen. „Warum nehmen denn wir die Tabletten?“ „Das sagte ich doch eben – damit wir schön schlafen.“ „Ja, ist das denn erlaubt?“ „Was soll denn daran nicht erlaubt sein?“ „Ja, dass sie jetzt ins Bett gehen?“ „Ich gehe doch jetzt gar nicht ins Bett. Ich habe Nachtdienst.“ „Um Gottes Willen dann können sie doch keine Tablette nehmen!“ „Wie kommen sie den darauf, dass ich eine Tablette nehmen will?“ „Nein, nicht eine ganze, aber sie wollten doch die Hälfte von meiner, und dann wollten wir schön schlafen!“ Die Geschichte ist hier nicht zu Ende, wer sie ganz lesen mag, meldet euch.

Together

Sie zeigt, was passiert, wenn wir das Wir sehr ernst und wahrhaftig nehmen. Wenn wir Wir sagen, dann ist dies ein Zustand, der unser Ich sozusagen auflöst und einer Gemeinschaft zuführt. Gemeinsam heißt, wir tun etwas zusammen. Das englische Wort „together“ weist in seiner Urbedeutung auf etwas hin, dass diesem „zusammen“ noch eine Perspektive hinzufügt. „Together“ stammt von einem Adverb ab, dass „geador“ heißt und für urgermanisch „in einem Körper“ steht. Sowie für „vereinigen, zusammenfügen, verbinden“.

Zen und Biodanza – ein gelebtes WIR. Demnächst wieder! Samstag, 22. März ist es soweit! Endlich!

Unser Körper-Geist-WIR

Betrachten wir jetzt das Wir erneut und übertragen es auf den Körper-Geist-Seele-Stimme-Raum. In diesem Raum wirkt so vieles zusammen (Organsystem, Zellen, Knochen, Sehnen, Muskeln, Nerven, Magen-Darm, Sinnesorgane…) und dennoch hat jedes einzelne Teil unseres Körpers und Geistes (jeder Gedanke) sein eigenes Zuhause. So steht es auch im Sandokai, dem Sūtra von der Verschiedenheit und Gleichheit.

Sprechen wir also als Mutter den Satz gegenüber einem Lehrer unseres Kindes aus: Was dürfen wir denn lernen, dann drückt dies nicht nur eine gemeinsame Aktivität aus, sondern es ist eine Verbundenheit, die hier entsteht. Es entsteht ein gemeinsames Wirken an einem Ort.

Was wäre ein Kind ohne ein WIR?

Was sollte daran schlecht sein? Die Eigenständigkeit des eigenen Kindes zu fördern, geht das nicht nur über ein Wir, indem wir dem Kind vorleben wie es geht? Was wäre ein Kind ohne ein Wir? Erst recht in der Pubertät? Was wäre eine Heranwachsende ohne menschliche Kontakte? Ohne Gemeinsamkeiten in einem Sportverein, der Musikschule, der Wandergruppe oder, oder, oder?

Wir sind tatsächlich soziale Wesen. Wir sind tatsächlich Menschen mit gleichen Bedürfnissen, egal wie alt wir sind. Ja, wir!

Und wenn wir dieses WIR achten wollen, fangen WIR am besten bei diesem eigenen Ich an und wecken in uns die Erfahrung, dass wir von Beginn unseres Lebens an, bereits ein sehr umfangreiches WIR sind!

Ellen – ein Jahr alt an der Hand ihres Vaters! Was wäre Ellen ohne diese Hand damals bei den ersten Schritten ins eigene Leben gewesen?

Pluralis Majestatis

Wer von uns erkrankt (physisch, psychisch, sozial, emotional, intelligent…), merkt sehr schnell, wie dieses WIR (Körper/Geist/Seele) leiden muss. Wenn in den früheren Staatsformen, der von „Gott erwählte Herrscher des Landes“ immer von einem Wir sprach, dem sogenannten Pluralis Majestatis, dann drückte dies zwar die Erhabenheit dieses Herrschers damals aus. Doch übertragen wir diese Erhabenheit einmal auf unseren Körper und Geist. Stellen wir uns einmal vor, unser Körper und Geist spricht mit uns und wendet die WIR – Form an als ein Pluralis Majestatis?

Ist das dann nicht ein schönes Gefühl, zu bemerken, dass dieser, mein Körper, dieser Geist, mein Geist mich als ein Ich in seiner Erhabenheit miteinbezieht? Ist das nicht wunderbar?

Dann fühlen wir vielleicht auch etwas von dieser Erhabenheit in unserer Seele! Und nicht erhaben im Sinne von Überheblichkeit, sondern erhaben im Sinne einer feierlichen Größe (DWDS). Ist unser Körper und Geist dieses WIR nicht eine zu feiernde Größe? Ist Körper und Geist nicht gerade dieser feierlichen Erhabenheit würdig? Ist unsere „KörperGeistung“ (Ellen Kremer-Wilmes, Nicht-Dualität) nicht gerade wegen dieses großartigen, zu würdigende WIR die größte Größe, die wir als Menschen kennen können?

Und, was wir mit dieser Größe alles machen können!

Der große Schatz des WIR

Ist nicht dieses WIR der größte Schatz, den wir haben und lohnt es sich nicht, diesen in all seinen Facetten zu erfahren, kennen zu lernen und ihn zu achten, zu ehren und liebevoll mit ihm zu sein?

Die Zen-und Gong-Nacht war so eine Möglichkeit, diesem erhabenen und großartigen Wir des Eigensten näher zu rücken. Und wir alle spürten deutlich selbst während unseres Schlafes, dass dieses einzigartige WIR uns auch dann zusammenhält und organisiert, uns trägt, so dass Erfahrungsebenen überhaupt möglich sind!

Zen-und Gong Nacht 2025 – Eine Ich und ein Wir-Erfahrung. Schnarchend. Prustend. Still. Verbunden. Tönend. Atem zählend.

Die Chance des WIR für ein gesundes Ich

Daher lasst uns dem WIR wieder eine Chance gehen, denn durch das WIR wird auch unser Ich klarer und vor allem eindeutig sichtbarer, was viel Leid verhindern kann. Denn das Ich ohne Wir setzt Schmerz, den das große gesamte Wir tragen muss. Und so ist ein jeder von uns mit seinem ureigensten Wir ein Mittragender nicht nur des eigensten Ich, sondern aller Ich-e und aller WIR-e.

Ich wünsche uns allen das Wunder des eigenen Wir zu sehen, so dass das eigene Ich seine Aufgabe sauber übernehmen kann, ohne dem Wir zu schaden.

Für ALLE!

Herzliches Gassho

Ellen Daoren

 (https://www.etymonline.com/word/together)

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