Den Mut entdecken sich zu trauen

Sonntags-Blog „Den Mut entdecken sich zu trauen“, 20. Oktober 2024

Liebe ZenhoflerInnen,

der Oktober schenkt uns eine nochmals deutlich sichtbare bunte Zeit, weist auf die Vielfalt der Welt hin. Die grünen Blätter, die scheinbar doch alle grün sind, wechseln plötzlich die Farbe und jedes Blatt für sich macht dies auf seine Weise. Ich glaube, dass es kaum eine so deutlich sichtbare Vielfalt wie im Herbst gibt. Möge der Herbst uns diese Sichtbarkeit noch ein Weilchen gönnen. Und wenn die Sonne scheint, sehen wir die Vielfalt funkeln. Ihr Feuer. Ihre Weite und Größe. Ihren eigenen Sonnenschein. Möge wir es dem Blatt nachtun.

Mut? Sich trauen? Wozu?

Mut haben und sich trauen

Hat das Blatt Mut und traut sich? Ist es reif, wenn es die Farbe wechselt? Ist diese bunte Reife, die zu seinem Tode führt, das Vollständigste des Blattes? Ist das bei uns Menschen auch so?

Oder verlieren wir im Laufe unseres Lebens, das mit dem Sicherheitsgedanken aufwuchs, dass es keines Mutes und sich Trauens mehr bedarf, denn es ist ja alles sicher? Haben wir unseren Mut im Wohl-gefühl und Wohl-stehen verloren, denn wir brauchen ihn ja nicht mehr? Ist das wirklich so?

Trauen wir uns wir selbst zu sein? Oder schämen wir uns, uns zu zeigen wie wir sind?

Trauen wir uns?

Trauen wir uns noch etwas zu oder hält sich das Trauen nur im Kreis des Bekannten auf? Bleiben wir also unser Leben lang ein grünes Blatt, welches sich nicht bunt verfärbt und schillernd im Sonnenschein seine Schönheit zeigt? Trauen wir uns eine Ent-wicklung nicht mehr zu, wenn etwas Fremdes, Neues, Unbekanntes auf uns zu kommt? Bleiben wir im Abstand zu unserem Buntsein und dem Buntsein der Welt, denn wir haben den Mut verloren, uns dem zu stellen? Wo ist unser mutiger Entdecker-Geist hin? Glauben wir, dass es keine Entdeckungen mehr gibt?

Das Buntsein

Das größte Buntsein, das wir haben, sind wir selbst. Niemand kann in ein anderes Lebewesen hineingehen und fühlen, was dieses Wesen fühlt, für einen Schmerz empfindet oder wie sich innere Friedlichkeit und Glück ausbreitet. Jeder von uns kann dies nur auf seine ihm eigene Weise erfahren. Dabei stehen wir uns oft selbst im Weg. Wir bauen unsere gedanklichen Hindernisse in den Himmel und sagen dann: Keine Chance. Das klappt nie.

Wo ist der Mut geblieben? Wo ist das sich trauen geblieben? Wer sagt, dass es nicht klappt? Wer sagt, dass unser Mut nicht reicht? Wer sagt, dass wir uns nicht trauen?

Wie zum Beispiel die heutigen jungen Mütter? Sie tun alles für ihre Kinder. Pekip. Baby-Schwimmen. Mutter-Kind-Gruppe. Sportverein. Doch, wo ist die Stille der Selbstentdeckung? Können Kinder das nicht von klein auf auch?

Der Gewohnheits-Geist

In der Regel ist dies die kleine Stimme des kleinen Gewohnheits-Geistes, der uns so gut kennt, wie kein anderer. Er weiß genau, wann er wo drücken muss und wir funktionieren so wie er es möchte. Wir bemerken manchmal, dass wir auf ihn reingefallen sind. Aber meistens sind wir bravo Befolger seines inneren nicht sichtbaren im Untergrund führenden Herrschens.

Er gaukelt uns permanent vor, was wir denken, fühlen, meinen müssen. Und was tun wir, wir folgen ihm, denn wir kennen ihn nicht. Wie können wir ihn sichtbar machen?

Das Jetzige Leben

Das Einzige, was diesem Gewohnheits-Geist die Stirn bietet, ist die Zazen-Meditation, Zeiten der Ruhe und Meditation in einem Kloster, in einer Eremitage oder Zeiten einer stillen Wanderung allein durch die Felder und Flure. Dann können wir plötzlich sehen, wenn wir nach im Ausschau halten, wie er uns trimmt, wie er uns drängt, wie er uns schiebt und wie fleißig wir sind, diesem Drängen zu folgen.

Ihm die Stirn zu bieten und bei sich selbst zu bleiben, sich selbst neu kennen lernen, neu definieren, immer wieder neu und anders, ist die Kunst des Zazen, deren Ausdruck das jetzige Leben ist.

Mut

Am Donnerstag war Zen und Theorie und wir stießen auf den Mut. Ja, sobald wir uns auf das Kissen setzen, beweisen wir Mut und trauen uns, diesen Gewohnheits-Geist bemerken zu lernen. Da ist zum Beispiel der Satz: Immer wenn ich etwas anfangen will, hindert mich mein Partner daran.

Was passiert hier? Ja, es ist der Gewohnheits-Geist. Niemand hindert uns an irgendetwas außer wir selbst.  Niemand redet uns etwas ein außer unser Gewohnheit-Geist. Diesen Geist in all seinen in uns vorkommenden Facetten kennen zu lernen, ist eine Lebensaufgabe, bei der, ja, gerade, Zazen, eine große Hilfe sein kann.

Den Mut sich zu trauen, die alten und neuen Facetten kennen zu lernen, zu erfahren und sich neu zu gestalten. Moment für Moment. Der Traum des Lebens geht in Erfüllung.

Denn habe ich diesen Gewohnheit-Geist zu ersten Mal wirklich richtig sichtbar für mich gemacht, fällt es mir leichter, ihn immer öfter zu sehen und die Stolpersteine, die er für uns hat, werden immer kleiner, denn wir sehen sie.

Das ist Zazen.

Das ist Zazen. Das ist Mut und das ist Sich-Trauen. Moment für Moment sehen wir zu und lernen diesen Gewohnheits-Geist kennen und je mehr wir ihn kennen lernen umso bunter, vielfältiger, leichter wird unser Leben, denn es ist plötzlich frei und unbehaftet, denn der wirklich in uns lebende Geist der Vielfalt der bunten Blätter steht in uns auf.

Mögen wir alle den Mut haben, diesem Prozess des Lebens mit der Übung von Zazen im Zendo und im Alltag uns zu trauen bunt zu schillern, in den Farben des bunten Lebens. Danke.

Eure Ellen Daoren

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