Sonntags-Blog „Das Ausgleichen – wie gelingt es?“, 8. Februar 2025
Liebe ZenhoflerInnen,
wie ihr alle wisst, lag ich mit einer Grippe und Fieber eine Woche im Bett. Viele von euch kennen das auch. Plötzlich wie aus heiterem Himmel schmeißt es dich nieder. Gerade gingst du noch spazieren und findest dich dann mit Schüttelfrost im Bett wieder.
Oder gerade noch saßest du mit deinem Liebsten am Tisch und Sekunden später ist der Arm gebrochen. Oder gerade noch gingst du zum Einkaufen und bei deiner Rückkehr findest du dich mit Übelkeit und Erbrechen auf der Toilette wieder. Was passiert hier?

Wie gleichen wir die Anforderungen aus?
Während ich meinen Körper und meinen Geist während des Krankseins beobachtete, fiel mir etwas auf. Wie gleicht mein Körper und Geist eigentlich Anforderungen aus? Ist Kranksein nicht vielleicht ein Ausgleich? Ist Gesundsein auch ein Ausgleich?
Wie gleichen wir etwas aus? Was ist dieses Ausgleichen? Brauchen wir es und/oder geschieht es schon immer von ganz allein, wenn wir die Dinge ruhen lassen?
Die beruflichen Anforderungen und Herausforderungen der heutigen Zeit sind groß und oftmals glauben wir unter ihnen zusammenzubrechen, weil wir nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Die herausfordernde Aufgabe berufstätige Mutter mit Kindern zu sein, den Haushalt zu organisieren und die kindliche Entwicklung zu fördern, ist ein großes schwieriges Unterfangen. Nach einem normalen Arbeitstag und den allgemeinen Funktionen des eigenen Haushaltes noch die alten Eltern pflegen, ist ebenso eine echte Aufgabe. Es gibt also viele Tätigkeiten in unserem Leben, die uns wirklich ganz fordern. Wirklich mit ganzem Körper und mit ganzem Geist.
Wie kommt es nun, dass dieses Ausgleichen, zum Beispiel zwischen gesund und krank, zwischen friedlich und aufgeregt, zwischen überfordert und unterfordert überhaupt funktioniert. Was macht unser Körper in diesem Tun des Ausgleichens? Was macht unser Geist in diesem Geschehen?
Bleiben wir bei dem Beispiel gesund und krank. Normalerweise gehen wir davon aus, dass wir, wenn wir gesund sind im Ausgleich sind. Doch, sind wir das?
Die Waage

Schauen wir uns eine Waage an. Wenn die Waage im Ausgleich ist, mit dem, was auf beiden Seiten zu liegen kommt, dann ist beides gleichwertig. Es ist auf gleicher Höhe. Es ist gleich schwer. Das bedeutet, das Kranke und das Gesunde sind gleich viel wert. Außerdem wissen wir bereits, dass unser Darm von vielen Bakterien besiedelt ist, selbst unsere Mundhöhle wimmelt davon. Gäbe es diese Bakterien nicht, wären wir krank. Nehmen sie überhand sind wir es tatsächlich. Also was passiert hier für ein permanentes Ausgleichen?
Der Ausgleich im Zazen
Ihr kennt mich. Zazen. Es zeigt uns im perfekten Maß wie ein Ausgleichen geschieht. Wir atmen ein. Wir atmen aus. Mischen wir uns nicht ein, so findet der Atem genau diesen Ausgleich von Einatmen und Ausatmen von ganz allein. Wenn wir joggen gehen oder auf einen Berg steigen, merken wir wie der Atem den Ausgleich angeht. Er wird schneller. Manchmal wird er tiefer. Manchmal wird er langsamer… und immer geht es um den Ausgleich der Anforderung, der Herausforderung, der nun gestellten Aufgabe.
Das deutsche Wortherkunftslexikon sagt, dass Ausgleichen für Folgendes steht:
„Ungleiches gleichmachen, Unterschiede durch gegenseitiges Angleichen, Aufheben der Gegensätze durch Vermitteln, …, Fehlendes durch etw. anderes ersetzen, Nachteiliges durch etw. anderes wettmachen“.
Ausgleichen das Glätten der Wogen
Es steht für das Glätten der Wogen, den verlorenen Boden wiederherstellen, wiedergutmachen. Genau das machen wir beim Zazen. Wir verschaffen uns wieder Boden unter den Füßen. Wir glätten die Wogen der aufgewühlten See und wir machen das wieder gut, was wir vorher schlechtmachten.

Das wohl Wichtigste ist, dem Körper und dem Geist die Möglichkeit geben, dies tun zu dürfen. Mischen wir uns ein, weil wir meinen, wir müssten jetzt dies tun und das tun, denn der Arzt sagte, wir müssten jetzt unbedingt noch die Untersuchung oder jene machen, um zu wissen, was los sei. So hören wir nicht auf unseren Körper und unseren Geist, sondern wir überlassen den Ausgleich angeblich jemanden, der dies kann. Aber gibt es einen Menschen außerhalb von uns, der uns ausgleichen kann?
Wir allein sind unser eigener Ausgleich
Nein, das gibt es nicht. Wir allein sind unser eigener Ausgleich. Wir sind das Ausgleichen. Das „aus“ bedeutet wir bestimmen das, was von innen nach außen gelangt. Wir bestimmen, was beendet wird. Und bringen wir das Gleiche von innen nach außen, dann sind wir so gesund wie wir krank sind. Eben gleich. Keines von beiden nimmt Überhand. Es gibt im Volksmund sogar den Spruch, der hat zu gesund gelebt, mit der evt. Folge doch so früh verstorben zu sein. Was also ist das Ausgleichen?
Das gleiche Gewicht
Es geht um das Gleichgewicht, das Ausgleichen. Dies gelingt uns nur, wenn wir dem Körper und dem Geist wirklich zuschauen und zulassen, dass sich die Beiden selbst regulieren. In unserer heutigen Welt der Selbstoptimierung muss es die und die Ernährung sein, muss es die und die Form von Bewegung und Reha-Sport sein, aber fragen wir uns auch einmal, für wen von uns dies zuträglich ist? Wir sind Individuen. Jeder von uns ist auch in seinem Darm verschieden von einem anderen Menschen. Jeder von uns hat bereits eine wirklich große Aufgabe, nämlich allein herauszufinden, was wir wirklich gut essen/trinken/leben können und was nicht. Das ist Ausgleichen.

Nicht auf Worte von anderen hören, sondern selber herausfinden. Wenn der Körper schreit, also krank wird, wenn er den Arbeitskollegen X oder den Arbeitsplatz B sieht, dann müssen wir uns fragen, was passiert hier? Warum wehre ich mich gegen ein Ausgleichen? Wie könnte dieses Ausgleichen aussehen?
Die Quantenphysik
Ist es wirklich der neue Arbeitsplatz oder ist das Ausgleichen anders möglich? In der Quantenphysik spielt die Wahrscheinlichkeit und somit die Möglichkeit eines Ereignisses eine große Rolle. Warum gehen wir nicht einfach her und spielen mit den Möglichkeiten?
Ja, spielen. Wenn wir im Zazen den Atem beobachten, beobachten wir uns selbst, oder? Wir spielen mit dem Ort des eigenen Körper-und Geist-Raumes. Wir lassen das Spiel zwanglos und ohne von Nutzen getrieben zu sein, einfach ablaufen.
Zazen und die Möglichkeit des einfach Weiter
Wenn wir im Zazen dem Atem folgen, beobachten wir eine Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit, dass ein weiterer Atemzug folgt. Wehren wir uns dagegen? Nein, wir gehen einfach mit. Und das ist das Geheimnis. Wir gehen einfach mit. Wir gleichen uns aus, was bedeutet, wir bringen unser Gleich-Sein von innen nach außen.

Wir weiten uns
Wir leben es einfach. Wir tun es einfach. Wir gleichen aus, indem wir einfach weiter atmen, einfach weitergehen, einfach weiter essen, trinken, spazieren gehen und ja, auch arbeiten gehen. Ja, einfach weiter atmen, einfach weitergehen. Im Weiter steckt das Weiten und die Weite. Das ist das Üben im Zazen. Wir weiten uns. Weiten wir uns, sehen wir mehr Möglichkeiten. Atmen wir einfach weiter, entsteht die Weite, die uns ruhiger macht und gelassener durch den Alltag trägt.
Und spüren wir, dass das Ausgleichen ins Stocken gerät, dann kommt der Wendepunkt. Wir atmen ein und wir atmen aus, aber jetzt beobachten wir uns wie wir uns um-wenden. Wir drehen uns nach einer anderen Möglichkeit um, die genauso wahrscheinlich ist. Ohne Angst und mit viel Vertrauen wenden wir uns um. Der Atem ist jetzt im Brustkorb und warum nicht? Jetzt ist er im Bauchraum, ja, warum nicht? Jetzt ist er im Daumen, ja, warum nicht? Warum nicht weniger Stunden arbeiten, aber dafür im Ausgleichen gut unterwegs sein? Warum nicht den Ort der Arbeit wechseln, wenn der Ausgleich stimmt? Nicht nur der finanzielle, sondern vor allem der lebendige Ausgleich unseres eigenen Körpers und Geistes?

Lasst uns gemeinsam am Ausgleichen und der eigenen großartigen Weite arbeiten, denn dann kommt das Sich-Gleichen von einem Innen nach Außen und die Trennungen heben sich auf. Lasst es uns einfach weiter tun und üben. Für alle und für uns selbst, denn mit dem Ausgleichen lässt es sich gut leben.
Herzliche Grüße und eine gute Woche
Ellen Daoren
Liebe Ellen,
herzlichen Dank für deinen Impuls und die interessante Sichtweise. Seit Tagen fühle ich mich unausgeglichen und habe es selbst gemerkt, wovon bei mir gerade zu viel da ist. Vom Anhaften an Vorstellungen, der Vorstellung Dinge zu brauchen und verändern zu wollen, an diesen Vorstellungen beharrlich festzuhalten, diesen Vorstellungen andere Sichtweisen unterzuordnen etc. Das ganze führt sogar bei mir so weit, dass ich mich etwas getrieben davon fühle. Obwohl ich das alles bemerke, ist es mir nur in der Meditation gelungen etwas Abstand zu schaffen.
Durch deine Zeilen schnappe ich mir jetzt die Familie und mache einen Ausflug in den nahegelegenen kleinen Tierpark. Ich freue mich schon auf die schönen braunen gütigen Augen der Rehe, wenn sie etwas Futter bekommen.
Herzliche Grüße,
Andreas 🙏🏻☺️
Liebe Ellen,
ich hatte heute Mittag schon einen Kommentar geschrieben, aber sehe den leider nicht, also lieber noch einen schreiben. Vielen herzlichen Dank für deinen für mich sehr wertvollen Impuls und die schöne Sichtweise. Ich fühle mich seit Tagen, vielleicht auch Wochen unausgeglichen… bin schon wieder kränklich, weil wichtige Aspekte gerade nicht berücksichtigt werden und Raum von mir bekommen. Nach dem ich deinen Beitrag gelesen habe, bin ich trotz vieler anstehender Aufgaben mit der Fam. in den nahegelegenen Tierpark gefahren und dort einen Ausgleich in den schönen dunklen, unschuldigen Augen der Rehe gefunden. Einfach schön…
Herzlichen Dank! 🙏🏻☺️
Ich bin sehr dankbar, dass du dein Kranksein so treffend analysiert hast, einfach großartig und es mit uns geteilt hast. 🙏🏻🙏🏻🙏🏻
Herzliche Grüße, Andreas.
Lieber Andreas,
ja, der Ausgleich. Schön, dass es die brauen Rehaugen sind. Schön, dass es die Meditation ist.
Doch, der schönste Ausgleich ist der, den wir gar nicht brauchen, wenn es stets ausgeglichen bleibt.
In unserer körperlichen und geistigen Bleibe ist dies die schwierigste Übung.
Doch dafür gibt es Zazen.
Immer wieder tun wir es, fragen nicht warum, sondern tun es einfach
und ganz langsam und vorsichtig schiebt sich dieses Ausgeglichen immer mehr in unser aller Leben ein.
Das ist das Schöne am Zen.
Herzlichen Dank für Deine guten Worte.
Ja – das wollen wir tun!
Danke für die Worte liebe Ellen 🌟
So treffend 😌
In Gassho
Marco 🙏
Danke liebe Ellen für dein reflektiertes, für mich so wahres Geschriebenes zum Thema; wie uns Ausgleichen gelingen mag, gelingen kann, gelingen könnte.
Ja, ich gehe davon aus, dass jedes Lebewesen auf diesem Planeten Erde, das innere Wissen dafür in sich trägt. Vielleicht geht’s ja nur darum, seiner klaren, inneren Stimme zuzuhören und umzusetzen was umzusetzten ist. Vertrauend geschehen lassen. Ganz still, ganz ein-fach. Ich allein trage die Hauptverantwortung ob etwas geschieht oder nicht.
Der klaren inneren Stimme zuhören, ist wunderbar. Es setzt jedoch voraus, sie hören zu können.
In unserer heutigen Zeit, überflutet mit Eindrücken, nimmt das Bild den großen Raum ein, das Hören kommt ein wenig zu kurz.
Hören bedeutet wirklich zu hören! Wirklich zu hören, bedeutet verstehen. Verstehen bedeutet Aufheben der Trennung zwischen dir und mir, denn richtiges Zuhören ist verstehendes Hören und Entdeckung von Gleichheit.
Ich denke nicht, dass es eine „Haupt“- Verantwortung gibt. Haupt steht in der deutschen Sprache für den Kopf. Ich glaube, dass es eher so eine Ver-Antwort-ung gibt, die ein-fach, wie du sagtest, die eigene Antwort ist. Und hier kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Wir hören zu. Dieser Antwort, diesem Wort in uns selbst und dann tragen wir schon die Verantwortung für uns und unser Tun mit seinen Wirkungen auf alle und alles.
Danke für die schönen Worte.